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April 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

London/Köln (SID) Der Final-Sieg von Michael van Gerwen war schriller Höhepunkt der Darts-WM in London. Längst gilt der junge Niederländer als künftiger Dominator eines Sports, der den Kneipen längst entwachsen ist.

Am Ende dieser schrillen, grellen und bierseligen Darts-WM gab es tatsächlich noch einen rührenden Moment im brodelnden „Ally Pally“. Die Bässe wummerten laut, als Michael van Gerwen den WM-Pokal entgegennahm, der Niederländer reckte ihn über seinen kantigen, kahlen Schädel, die Menge grölte – und diesem bulligen Star des einstigen Kneipensports standen die Tränen in den Augen.

Mit bebender Stimme dankte „Mighty Mike“ seiner Frau und seiner Familie für „die großartige Unterstützung, ich bin so glücklich“, sagte er nach dem Sieg über Titelverteidiger Gary Anderson: „Das ist der wichtigste Pokal, das weiß jeder.“ Im Schnitt 1,48 Millionen TV-Zuschauer hatten das Match allein in Deutschland bei Sport1 verfolgt, das war ein Rekord, 410.000 Euro erhielt van Gerwen für seinen Triumph – und wer immer noch nicht verstand, welche Bedeutung diese Darts-WM mittlerweile hat, der wurde wenig später belehrt.

Die Siegerpressekonferenz lief, als van Gerwen plötzlich ein Handy auf das Podium gereicht bekam, der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte war am Apparat. In einem einminütigen Gespräch gratulierte der mächtigste Mann des Landes dem besten Darts-Spieler der Welt.

Das ist Michael van Gerwen momentan ohne Zweifel. 2013 stand er bereits im WM-Finale, 2014 und nun 2017 holte er den Titel. „Dreimal im Finale“, sagte van Gerwen, „da muss man schon eine gewisse Klasse haben. Alle haben gesagt, dass ich einen zweiten Titel brauche, um ein Großer zu sein. Das habe ich heute geschafft.“

Mit dem Sieg im Alexandra Palace vergoldete der Weltranglistenerste sein herausragendes Jahr 2016, in dem er 25 Turniere gewonnen hatte. „Der Junge ist ganz gut“, sagte der unterlegene Schotte Anderson (46) mit reichlich Galgenhumor, „der wird mal ein Spitzenspieler.“

Längst trauen nicht wenige van Gerwen zu, in die Fußstapfen von Rekordweltmeister Phil „The Power“ Taylor (56) zu treten, den Sport sogar noch deutlicher zu beherrschen, als der 16-malige Titelträger. Denn mit 27 Jahren steht van Gerwen noch am Anfang der Karriere, Taylor holte seinen ersten WM-Sieg im Alter von 29. Und zumindest gegenwärtig ist van Gerwen in Topform kaum zu schlagen, so, wie es einst für Taylor galt.

Auch in den kommenden Jahren, wenn es rund um Weihnachten und Neujahr wieder laut wird im „Ally Pally“, dürfte der Niederländer als einer der Top-Favoriten nach London reisen.

Und dazwischen verschwindet der Sport übrigens keineswegs in den Kneipen. Im Februar startet die Premier League der zehn Besten. Auch die ist ein TV-Event (Sport1), und auch dort geht es immerhin um eine Siegprämie von mehr als 200.000 Euro. Am 7. Januar gastierten van Gerwen, Anderson, Taylor und einige andere Profis in Düsseldorf. Beim Promi-Darts warfen sie unter anderem mit Lothar Matthäus, Tim Wiese und Rainer Calmund Pfeile.

Der Weg der deutschen Darts-Hoffnung Max Hopp bei der WM war dagegen schon früher beendet. Aber „das Publikum war der Wahnsinn. Ich habe das noch nie gehört, dass so viele deutsche Fans im Ally Pally sind“, sagte Hopp nach seiner Zweitrunden-Niederlage gegen den Belgier Kim Huybrechts sichtlich beeindruckt. „Es war wie bei einem Turnier in Deutschland. Du hast gedacht, du bist nicht in England. Das ist ein Heimpublikum.“ Dabei hatten die deutschen Zuschauer Glück, dass sie ihren Landsmann überhaupt sehen konnten. Als die Tickets im Sommer in den Verkauf gingen, war noch nicht absehbar, wer an welchem Tag spielen würde. Dennoch waren sämtliche Karten binnen eines Tages vergriffen. Deshalb überlegt der Verband PDC, im kommenden Jahr von der kleineren, rund 3000 Zuschauer fassenden Westhall in die benachbarte Great Hall mit einer Kapazität von bis zu 10.400 Zuschauern umzuziehen.