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April 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

Zürich (SID) Als Gianni Infantino im Machtzentrum des Fußballs triumphal seine „Mega-WM“ präsentierte, herrschte beim Weltmeister längst blankes Entsetzen. Im Hauruckverfahren und gegen erklärten Widerstand aus Deutschland haben der FIFA-Präsident und seine Gefolgschaft in nur 90 Minuten die Fußball-WM revolutioniert – ab der Endrunde 2026 werden 48 statt 32 Nationen um den Titel spielen.

Infantino scherte sich nach der historischen Entscheidung am 10. Januar in Zürich nicht um die Kritiker beim Deutschen Fußball-Bund (DFB). „Auch wenn wir eine WM mit nur zwei Mannschaften organisieren würden, wäre Deutschland immer noch eine davon“, sagte er süffisant: „Aber für die vielen anderen Länder bietet sich jetzt eine neue Chance.“

Die Aufstockung von 32 auf 48 Mannschaften, die eine zusätzliche K.o.-Runde nötig macht, hatte das Council um 10.35 Uhr „einstimmig“ beschlossen. „Wir müssen die WM ins 21. Jahrhundert bringen“, sagte der Schweizer Infantino, und er jubilierte: „Der Fußball ist global! Das Fußballfieber in einem qualifizierten Land ist die größte Werbung für den Fußball, die es geben kann.“

Noch bleiben aber viele Fragen. Etwa danach, wie die 16 neuen Startplätze auf die sechs Konföderationen verteilt werden sollen, und danach ob es bei einem Unentschieden in der Gruppenphase ein Elfmeterschießen geben wird. „Es gibt da verschiedene Lösungsansätze“, sagte Infantino, der beteuerte, das neue Format bedeute „keine große Veränderung des Modus“.

Der Weltmeister soll wie bisher in 32 Tagen ermittelt werden, sieben Spiele führen zum Titel. Insgesamt bekommen die Fans aber nun 80 anstatt 64 Partien zu sehen – die Gefahr der Übersättigung und Verwässerung wächst.

In Deutschland gibt es daher massive Bedenken. „Ich bin nicht glücklich mit dieser Entscheidung und hätte mir vor allem gewünscht, dass alle wichtigen Fragen zu Organisation und Modus komplett geklärt sind“, sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel, der die Sorge äußerte, „dass die Attraktivität des Spiels leidet“. Bundestrainer Joachim Löw konnte der Entscheidung „aus rein sportlicher Sicht gar nichts abgewinnen“.

DFB-Ehrenspielführer Uwe Seeler prophezeite im SID-Gespräch: „Das wird für den Fußball nicht gut sein – aber es war klar, dass es kommen würde, denn damit kann man ein paar Mark mehr machen.“ Der frühere Bundestrainer Berti Vogts zeigte sich gar „sehr, sehr erschrocken“.

Für Infantino spielt das keine Rolle. Der 46-Jährige hatte die Aufstockung vor seiner Wahl im Februar angekündigt – nun löste er sein Versprechen ein. „Das Thema lag seit einem Jahr auf dem Tisch“, sagte er: „Auch in Deutschland spielen Spieler aus aller Welt, für die sich so die Möglichkeit eröffnet, an einer WM teilzunehmen.“

Das klang nach einer väterlichen Entscheidung für die „Kleinen“. Die von Bayern Münchens Vorstandsvorsitzendem Karl-Heinz Rummenigge angeführte europäische Klub-Vereinigung ECA beklagte allerdings, „dass aus politischen, nicht aus sportlichen Gründen sowie unter erheblichem politischem Druck entschieden wurde“.

Nun gehe es darum, sich „mit den anderen Nationen der Europäischen Fußball-Union (UEFA) abzustimmen“, sagte Grindel: „Und dann versuchen, zu sehen, dass wir die Fragen, die noch nicht geklärt sind, im Interesse des Fußballs lösen.“

Zum größten Politikum wird in den kommenden Monaten die Anzahl von Startplätzen werden. Alle wollen ein größeres Stück vom Kuchen, die UEFA wird auf mindestens zwei bis drei WM-Startern mehr als bisher (13, 2018 plus Gastgeber Russland) bestehen.

„Ich habe versucht, darauf aufmerksam zu machen, dass wir uns sehr stark auf die Frage der Teilnehmerplätze konzentrieren müssen“, sagte Grindel: „Das ist für die Nationen in der UEFA wichtig. Dass, wenn andere eine Chance haben, ihren Fußball in Afrika und Asien zu entwickeln, das auch für die Nationen und Verbände der UEFA gelten muss.“ Es gehe um eine „deutliche Position“ der UEFA im FIFA-Council.

Ein deutscher Vertreter saß am 10. Januar aufgrund der Ethik-Sperre und des damit verbundenen Rücktritts von Ex-DFB-Chef Wolfgang Niersbach nicht am Council-Tisch. Grindel rückt erst im Frühjahr in das wichtigste Gremium nach.