sid

April 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

Köln (SID) Als die Crème de la Crème des europäischen Fußballs Ende April im schweizerischen Nyon zusammenkam, schauten die deutschen Klubs die Auslosung der internationalen Wettbewerbe nur im Fernsehen. Nach dem knappen Aus des letzten Vertreters Schalke 04 steht erstmals seit zwölf Jahren kein deutscher Teilnehmer in einem europäischen Halbfinale. Für die mitunter als „attraktivste Liga der Welt“ bezeichnete Bundesliga eine Katastrophe – gerade im Hinblick auf die so wichtige Auslandsvermarktung.

Noch vor wenigen Jahren war die Lage rosig: Bayern München und Borussia Dortmund bestritten 2013 das Champions-League-Finale, die Vormachtstellung der Bundesliga schien erstmals in diesem Jahrtausend erreicht, die Begeisterung war selbst in China riesig. Vier Jahre später stehen Klubs wie Celta Vigo oder AS Monaco im Halbfinale europäischer Wettbewerbe, deutsche Klubs schauen nur zu.

Anlass zur Sorge sieht die Liga aber nicht. „Ich würde nicht verallgemeinern, dass der deutsche Fußball schlechter geworden ist. Das wäre der falsche Ansatz“, sagte Schalkes Sportvorstand Christian Heidel und betonte, dass jedes Viertelfinale mit deutscher Beteiligung „seine eigene Geschichte“ gehabt habe: „Bei den Bayern und uns hat in den entscheidenden Momenten das Quäntchen Glück gefehlt. Und Dortmund spielte ohnehin unter Aspekten, die nicht normal sind.“

Als letztmals kein Bundesligist unter den letzten Vier eines europäischen Wettbewerbs gestanden hatte, waren die Bayern 2005 im CL-Viertelfinale am FC Chelsea gescheitert. Im damaligen UEFA-Cup schieden der heutige Zweitligist VfB Stuttgart und der derzeitige Regionalligist Alemannia Aachen im Sechzehntelfinale aus – längst vergangene Zeiten.

In der Gegenwart muss Deutschland um seine Rolle als Nummer zwei in Europa fürchten, in der UEFA-Fünfjahreswertung bleibt die Liga der Weltmeister bei 79,498 Punkten stehen. England (75,105) und Italien (72,498) können mit jeweils einem Teilnehmer noch weiter aufschließen. Weit vorne bleiben die Spanier (103,856), die noch mit drei Teams vertreten sind.

Generell übt Spanien in diesem Jahrzehnt eine fast schon bedrückende Dominanz in Europa aus. Neun von 14 Titeln in den beiden großen Wettbewerben gingen an die Primera División, immer wieder erreichen auch Klubs aus der zweiten Reihe wie Valencia oder Villarreal ein Halbfinale.

Deutschlands letzter Halbfinalist in der Europa League war 2010 der seit Jahren abstiegsbedrohte Hamburger SV. Seitdem scheint der zweitklassige Europapokal hierzulande nur noch eine Randnotiz zu sein. Nur Dortmund in der vergangenen Saison und jetzt Schalke im 20. Jubiläumsjahr des UEFA-Cup-Sieges wirkten halbwegs hungrig auf den Silberpokal – beide scheiterten jedoch am Gegner und an sich selbst.

Dabei sind die Voraussetzungen der Bundesliga hervorragend: Wirtschaftlich die Nummer zwei hinter der englischen Premier League, stets volle Stadien, eine ausgezeichnete Jugendarbeit – und zudem mit dem WM-Titel 2014 prämiert. Doch die Leistungen der Klubs aus der zweiten Reihe hinter den Zugpferden Bayern und Dortmund sind zu unkonstant, gerade in K.o.-Duellen fehlt deutschen Teams oftmals der letzte Punch.

Und es kann noch schlimmer kommen: Die mittelgroßen Klubs wie Schalke, Bayer Leverkusen oder Borussia Mönchengladbach werden sich in diesem Jahr möglicherweise nicht einmal fürs internationale Geschäft qualifizieren. Emporkömmlinge wie RB Leipzig oder 1899 Hoffenheim gelten bei einem Europa-Debüt im kommenden Jahr als Wundertüten, denen die fehlende Breite im Kader zum Verhängnis werden könnte.

Einzig der Blick über den Ärmelkanal dürfte die Funktionäre der Deutschen Fußball Liga (DFL) etwas milde stimmen. Die mit TV-Milliarden überschütteten Engländer schneiden seit Jahren schlechter als die Bundesliga ab, Erfolge wirken eher glücklich als strukturiert erreicht.

DFL-Boss Christian Seifert sagte einst, die Bundesliga brauche Klubs, „die in der Lage sind, mit den im Geld schwimmenden englischen Mannschaften mitzuhalten.“ Das tun sie – für den großen Wurf reicht es dennoch bei Weitem nicht.