sid

Dezember 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

Berlin (SID) Auch ohne Siegtrophäe machten die deutschen Volleyballerinnen die Nacht zum Tag und feierten ihr Silber in einem Berliner Club ausgelassen bis zum Sonntagmorgen. Die Tränen nach der bitteren Finalpleite bei der Heim-EM gegen Weltmeister Russland am 14. September waren schnell getrocknet, die Freude über das Geleistete überwog. „Ich bin der stolze Trainer einer unglaublichen Mannschaft, die Volleyball in den letzten beiden Wochen zum wichtigsten Sport in Deutschland gemacht hat“, sagte Bundestrainer Giovanni Guidetti.

Im Finale der beiden überragenden Teams der Europameisterschaft setzte es gegen die Russinnen nach langem Kampf ein nur am Ende klares 1:3 (23:25, 25:23, 23:25, 14:25). Danach flossen bei den enttäuschten „Schmetterlingen“ die Tränen – doch nur fünf Minuten später tanzten sie unter dem euphorischen Jubel von mehr als 8500 Zuschauern wild durch die Max-Schmeling-Halle. „Ich war nur drei Minuten traurig. Wir haben Silber gewonnen, nicht Gold verloren“, sagte Mittelblockerin Corina Ssuschke-Voigt: „Was wir hier mit dem Volleyball erreicht haben, ist unglaublich und der Hammer. Darauf sind wir ultrastolz.“

Obwohl der erste EM-Triumph einer deutschen Mannschaft nach der Wiedervereinigung weiter ein Traum bleibt, hat die Auswahl des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV) viel für den Sport geleistet. „Ich kann in den Spiegel schauen und sagen: Das war richtig gut“, sagte Guidetti: „Wir haben bei diesem Turnier viele unglaublich gute Dinge gemacht.“

Rappelvolle Hallen in Halle/Westfalen und Berlin, hunderttausende begeisterte Fans vor den Fernsehern und ein ungewohnt hohes Medienaufkommen – so kann es weitergehen. „Unser Projekt war eigentlich Gold, aber das Projekt war auch, Volleyball endlich für die Massen populärer zu machen. Das war Mission Nummer eins“, sagte Ssuschke-Voigt. Der Lohn: Das Endspiel bei Sport1 sahen starke 730.000 Zuschauer.

Wimbledon-Finalistin Sabine Lisicki („Glückwunsch zum tollen Turnier!“) fieberte in der Halle mit, und auch andere Sportstars wie Europas Fußballerin des Jahres Nadine Angerer drückten via Twitter aus der Ferne die Daumen. „Es ist so toll, dass es plötzlich so ein Interesse für unseren Sport gibt, davon haben wir immer geträumt“, sagte Spielführerin Margareta Kozuch.

Verdient hat es sich die sympathische Mannschaft mit ihren leidenschaftlichen Auftritten und dem Kampfgeist, der sie unter anderem das Halbfinale gegen Belgien von einem 0:2 noch zu einem 3:2 drehen ließ. Von der Final-Niederlage abgesehen, gab es für das deutsche Team fünf Siege und obendrauf die Qualifikationen für die WM 2014 in Italien und die EM 2015 in den Niederlanden und Belgien. „Das ist super wichtig, wir haben einen Plan für die Zukunft“, sagte Guidetti.

Seine Enttäuschung über die zweite Pleite in einem EM-Finale in Serie – schon 2011 hatte es in Italien gegen Serbien nicht gereicht – konnte er aber nicht ganz verstecken: „Mein Herz ist ein bisschen traurig, weil ich davon geträumt habe, dass die Mädels diesen unglaublichen Erfolg schaffen und den Titel holen.“ Doch auch er fand seine gute Laune schnell wieder, ehe sich das Team, das er seit 2006 betreut, am Sonntag nach einer langen und intensiven Partynacht in alle Himmelsrichtungen zerstreute. „Jeder bekommt wohl maximal drei Tage frei, ehe es bei den Klubs weitergeht. So ist unser Leben“, sagte Guidetti.

Die Vorbereitung auf die nächste Saison steht an, er selbst fährt mit dem Auto mehr als 2000 km nach Istanbul, wo er nach dem EM-Turnier seinen Job als Cheftrainer von Champions-League-Sieger VGS Türk Telekom aufnahm. Das Nationalteam trifft sich erst Ende Mai 2014 zum nächsten Lehrgang wieder – und will dann bei der WM ein neues Kapitel im Volleyball-Märchen schreiben. Dann aber mit Happy End!