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Dezember 2024

Sport und Verein

Ein Reitsportverein in Unterfranken bietet auf einem angemieteten Gelände mit 13 eigenen Pferden Reitsport an. Der Verein wird ausschließlich ehrenamtlich geführt und bietet seit einigen Jahren auch therapeutisches Reiten an. Zu diesem Zweck beschäftigt der Verein an zwei Tagen in der Woche seit dem 01.01.2007 eine ausgebildete Reitlehrerin und Reitpädagogin.

Als die Tätigkeit dieser Reitpädagogin für den Verein und eine eventuelle Sozialversicherungspflicht von der zuständigen Krankenkasse thematisiert wurde, stellte der Verein einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Reitpädagogin. Dabei ging er davon aus, dass der Verein bei Feststellung der Sozialversicherungspflicht für die Zeit vom 01.01.2007 an ca. 10.000 Euro würde nachzahlen müssen.

In seiner Stellungnahme wies der Verein darauf hin, dass die Reitlehrerin und Reitpädagogin Reitstunden und Therapiestunden gebe. Ihr unternehmerisches Handeln bestünde in der Ausbildung eines vereinseigenen Therapiepferdes und in der Kalkulation der Therapieeinheiten. Die Einheiten zum heilpädagogischen Reiten und Voltigieren dauerten ca. 30 Minuten und seien zum größten Teil Einzelunterricht.

Auch die Reitpädagogin gab eine Stellungnahme ab. Es sei mit dem Verein abgemacht, dass sie ihre Fähigkeiten als Reitpädagogin im Rahmensdes Vereinsgeschehens anbiete und monatlich ihre Stunden in Rechnung stelle. Soziale Absicherungen müsse sie in der Tätigkeit als Selbständige selbst übernehmen.

In der Arbeit als Reitpädagogin setze sie kein eigenes Kapital ein. Das Pferd, die Ausrüstung für das Pferd, sowie etwaige Hilfsmittel und die Benutzung der Reithalle werden ihr vom Verein zur Verfügung gestellt.

Ihre Arbeit als Reitpädagogin führe sie persönlich aus und setze keine Hilfskräfte ein. Vom Verein erhalte sie keine Weisungen sachlicher Art.

Weder an den Räumen noch an den Therapiegeräten habe sie eine Kostenbeteiligung.

Zum größten Teil führe sie die Behandlung der Patienten eigenverantwortlich durch; bei Bedarf spreche sie sich mit dem behandelnden Arzt ab. Die Termine mit ihren Patienten vereinbare sie persönlich. Die Behandlungen rechne sie dann mit dem Verein ab. Der zeitliche Umfang betrage drei bis vier Stunden in der Woche.

Zwischen dem Verein und ihr existiere kein schriftlicher Vertrag. Die Beauftragung erfolge jeweils mündlich.

Nach einer Anhörung von Verein und Reitpädagogin stellte die zuständige Krankenkasse den sozialversicherungsrechtlichen Status der Reitpädagogin fest und begründete dieses Ergebnis damit, dass nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwögen.

Verein und Reitpädagogin legten gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, der zurückgewiesen wurde. Auch die Klage des Vereins blieb erfolglos.

Das Sozialgericht folgte in seiner Urteilsbegründung vollinhaltlich den Argumenten im Bescheid der feststellenden Krankenkasse und sah deshalb selbst von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab, was nach § 136 Abs. 3 SGB möglich ist.

Wir geben deshalb hier die Begründung aus dem Feststellungsbescheid wider:

Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis der Reitpädagogin spreche, dass ihr alle zur Erfüllung des Auftrags benötigten Arbeitsmittel vom Verein gestellt wurden. Sie habe an den Räumen und an den Abrechnungsmodalitäten keine Kostenbeteiligung. Da sie keine Miete für die Nutzung der Reithalle und des Freigeländes zahle, trage sie kein unternehmerisches Risiko, da sie keine Verluste hinnehmen müsse.

Die Nutzungszeit der vereinseigenen Pferde müsse sie mit den Verantwortlichen des Vereins absprechen und könne nicht nach eigenem Bedarf tätig werden. Die Termine mit den Patienten vereinbare die Reitpädagogin zwar selbst, jedoch sei dies nicht ausschlaggebend, um von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen. Die Abrechnungen erfolgten nicht über die Krankenkasse, sondern über den Verein.

Da die Reitpädagogin vorwiegend am Betriebssitz des Vereins arbeite, wobei das vom Verein gestellte Pferd und sonstige Arbeitsmittel des Vereins genutzt würden, sei der zeitliche Rahmen der Tätigkeit durch die Geschäftszeiten des Vereins und die Verfügbarkeit der Arbeitsmittel begrenzt.

Im Sinne der Rechtsprechung sei diese Einschränkung zur persönlichen Abhängigkeit eines Arbeitnehmers zu qualifizieren.

Die Reitpädagogin hatte in ihrer Stellungnahme eingeräumt, dass der Kontakt zum jeweiligen Patienten meist über den Verein hergestellt werde.

Ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit ist der Einsatz eigenen Kapitals und das damit verbundene erhebliche Unternehmerrisiko. Das Unternehmerrisiko ist zum einen durch den Einsatz finanzieller Mittel geprägt, um einen zum Zeitpunkt des Einsatzes dieser Mittel ungewissen Gewinn zu erzielen. Zum anderen auch durch das Risiko des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft, wenn offen bliebe, ob der Arbeitende für seine Tätigkeit überhaupt Entgelt erhalte.

Bei der Tragung des Unternehmerrisikos ist zu berücksichtigen, dass die Zuweisung von Risiken an den Arbeitenden nur dann für Selbständigkeit spricht, wenn damit größere Freiheiten und größere Verdienstmöglichkeiten verbunden sind, die nicht bereits in der Sache angelegt sind, weil die Zuweisung zusätzlicher Risiken einen abhängig Beschäftigten noch nicht zum Selbständigen machen.

Unternehmerische Tätigkeit zeichnet sich also dadurch aus, dass sowohl Risiken übernommen werden, als auch gleichzeitig Chancen eröffnet werden. Die Arbeitskraft der Reitpädagogin wurde jedoch nicht mit ungewissem Erfolg eingesetzt, da eine Vergütung nach geleisteten Stunden erfolgte. Die Vergütung wurde somit erfolgsunabhängig gezahlt. Eine höhere Vergütung hätte die Reitpädagogin nur durch Mehrarbeit erzielen können.

Dabei sei es unerheblich, dass der finanzielle Erfolg eines Auftragnehmers von dessen Tüchtigkeit abhängig ist. Die Chance, länger oder mehr zu arbeiten, um so ein höheres Entgelt zu erzielen, sei nicht die spezielle Chance des Unternehmers, sie hat auch jeder Beschäftigte.

Das Risiko des Einkommens ist von dem bei einem selbständigen Beruf typischen Unternehmerrisiko zu unterscheiden. Die Reitpädagogin setzte ausschließlich die eigene Arbeitskraft ein und war funktionsgerecht dienend in einer fremden Arbeitsorganisation, der des Reitsportvereins, tätig.

Nach außen hin erschien sie als Mitarbeiterin des Vereins, im allgemeinen Geschäftsverkehr wurde sie nicht als selbstständig Tätige wahrgenommen.

Dem Internetauftritt des Reitsportvereins war zu entnehmen, dass dessen Geschäftsbetrieb auch darauf ausgerichtet sei, pädagogisches Reiten anzubieten. Durch den Einsatz der Reitpädagogin zeigte sich daher in geradezu klassischer Weise die Eingliederung in die betrieblichen Arbeitsabläufe des Vereins.

 Sozialgericht Würzburg vom 06.07.2010 – 2 R 4087/10 –