Ein Sportverein hatte sein Stadion als Ausrichter für ein Jugendfußballturnier zur Verfügung gestellt. Während eines Fußballspiels beleidigte der Vater eines mitspielenden Jugendlichen einen Mitspieler der Gegenmannschaft. Der ausrichtende Sportverein wurde deshalb durch das Verbandssportgericht zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 400 € verurteilt. Diesen Betrag nebst Verfahrenskosten forderte er danach von dem ausfallend gewordenen Besucher. Mit Erfolg.
Da zu Jugendfußballspielen nicht regelmäßig Eintritt erhoben wird, ergaben sich einige rechtliche Besonderheiten, den Schadenersatzanspruch zu begründen: Als Grundlage für den Anspruch auf Zahlung von Schadenersatz ermittelte das Gericht die Verletzung eines Gefälligkeitsverhältnisses eigener Art mit besonderen Sorgfaltspflichten iS des §§ 280, 241 BGB iVm § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB anlog.
Zwischen dem Sportverein und dem Vater bestand ein vertragsähnliches Sonderschuldverhältnis. Dazu zählt man solche Sonderverbindungen, die keine Leistungspflichten, jedoch gemäß § 242 BGB Schutz- und Treuepflichten begründen. Ein Rechtsbindungswille ist nicht erforderlich. Bei diesen Schuldverhältnissen steht die gegenseitige Rücksichtnahme auf Rechte, Interessen und Güter des anderen Betroffenen im Vordergrund.
Im vorliegenden Fall hatte der Sportverein den Zuschauern sein Stadion unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Damit erwies er allen Besuchern ein besonderes Vertrauen. Der Verein durfte deshalb davon ausgehen, dass alle Besucher, somit auch der in Anspruch genommene Vater, die allgemeingültigen gesellschaftlichen Umgangsformen beachten, die erforderliche Rücksicht und Sorgfalt walten lassen, und die Vereinsinteressen nach außen wahren. Dies galt umso mehr, als dem Vater eines der Fußballspieler bekannt sein musste, dass im Rahmen von Fußballspielen jegliches Fehlverhalten – ob tätlicher oder nur verbaler Art – geahndet wird.
Gegen die auferlegten Sorgfalts- und Rücksichtnahmeanforderungen hatte der Besucher verstoßen, als er zumindest die beleidigende Äußerung in Richtung eines Spielers „Fick Deinen Esel“ machte. Dieses Verhalten des Besuchers stellte eine Pflichtverletzung dar, die auch dann nicht zu rechtfertigen war, wenn er zuvor seinerseits durch Spieler provoziert worden sein sollte. Denn zu bedenken ist zum Einen, dass es sich bei den Fußballspielern im vorliegenden Fall um Jugendliche gehandelt hat, bei denen es im Eifer des Gefechts aufgrund fehlender Reife und mangelndem Verantwortungsbewusstsein nach der Lebenserfahrung immer wieder leicht zu verbalen Entgleisungen kommt.
Hinzunehmen sind diese zwar nicht, keineswegs ist darauf jedoch mit Beleidigungen und Beschimpfungen in derselben Art und Weise zu reagieren, was lediglich dazu führen würde, dass die Jugendlichen sich in ihrem Fehlverhalten bestärkt fühlen und weitere Eskalationen zu erwarten wären.
Unrecht lässt sich nicht durch Unrecht rechtfertigen. Eine Notwehr gegenüber verbalen Attacken gibt es im Gegensatz zu einem körperlichen Angriff ebenfalls nicht.
Der Besucher, hier der Vater eines der Mitspieler, hatte eine Vorbildfunktion. Es wäre seine Aufgabe gewesen, deeskalierend auf die aufgeheizte Stimmung einzuwirken. Der den Fußballplatz stellende Sportverein durfte von dem Besucher erwarten, dass dieser sich beherrscht, die Situation unter Kontrolle hält und nicht etwa seinerseits die vorliegende aggressive Stimmung weiter anheizt.
Durch das Verhalten des Besuchers war dem Verein – abgesehen von dem immateriellen Schaden (negative Presse, Imageverlust) – ein finanzieller Schaden entstanden, da dieser durch das Verbandssportgericht zu einer Zahlung von 400 Euro verurteilt worden war und zudem die damit einhergehenden Verfahrenskosten tragen musste. Diesen Schaden hatte der Besucher zu erstatten.
Außer Acht bleiben konnte im vorliegenden Fall die Frage, ob das Urteil des Verbandssportgerichts fehlerfrei zu Stande gekommen und damit als richtig anzusehen ist. Selbst wenn dem Verbandssportgericht vorzuwerfen wäre, den Sachverhalt nicht weit genug aufgeklärt und vorangehende Provokationen des Besuchers durch Fußballspieler nicht ausreichend in die Entscheidung einbezogen zu haben, war die festgesetzte Geldstrafe für die erfolgte Beleidigung letztlich doch als angemessen anzusehen.
Gerade auf dem Fußballplatz, wo oftmals ein rauer Wind weht und ein aggressiver Ton herrscht, sollte ein Familienvater unflätige Bemerkungen unterlassen, auch wenn diese „nur“ eine Beleidigung ohne rassistischen Hintergrund enthielten.
Amtsgericht Lingen vom 17.2.2010 – 4 C 1222/09 –