Sie sind Expertinnen und Experten für Trainingslehre, Leistungsentwicklung und Administration. Sie sind Pädagogen, Psychologen und Manager. Sie sind Vorbilder, gute Zuhörer, Medaillenlieferanten. Der LSB NRW hat sich bei erfolgreichen Trainerinnen und Trainern im Leistungssport umgehört, was den Alltag dieser „Allroundspezialisten“ ausmacht.
Wer den „Ruderkasten“ im Regattahaus am Baldeneysee in Essen zum ersten Mal zu Gesicht bekommt, wähnt sich in einem Film. Über einem Swimmingpool-ähnlichen Wasserbecken hängt eine Beleuchtungsanlage, an den Seiten moderne Flachbildschirme, an der Decke ein Beamer. Entlang der Beckenmitte in Beton ein sogenanntes „Messboot“. Der fensterlose Raum im Untergeschoss des Hauses wirkt futuristisch. Nur James Bond fehlt.
„Alle Kollegen machen mehr als gefordert“
Der „Ruderkasten“ ist einer der Arbeitsplätze von Ralf Wenzel, Leistungssportkoordinator und Cheftrainer des Nordrhein-Westfälischen Ruder-Verbandes. Die Stelle wird über den Landessportbund NRW finanziert. „Mit der Anlage können wir die Ruderbewegungen der Athletinnen und Athleten verbessern“, erklärt Wenzel. Alle Bewegungsabläufe werden in Echtzeit auf die Monitore übertragen, selbst kleinste Details können für alle sichtbar optimiert werden. „Jeder Ruderschlag ist sehr komplex, der Feinschliff endet nie“, gibt der Trainer einen Einblick in die Arbeit. Beim Wettkampf entscheiden nun mal Nuancen.
Trotz Ruderkasten ist Wenzel mehrmals in der Woche mit seinen Schützlingen auf dem Baldeneysee unterwegs. In aller Herrgottsfrühe, gegen sechs Uhr, vor dem Schulbeginn des leistungssportlichen Nachwuchses. Wie viel Zeit investiert er für seinen Beruf? „Offiziell?“, fragt er schmunzelnd. Letztlich kommen rund 55 Stunden zusammen, etwa die Hälfte davon seien administrative Aufgaben in seiner Funktion als Leistungssportkoordinator.
„Alle Kollegen machen mehr als gefordert“, bestätigt Michael Kasch, Landestrainer Leistungssport des Westdeutschen Basketball-Verbandes, „ohne Enthusiasmus geht gar nichts.“ Allein 40.000 Kilometer legt Kasch jährlich mit dem Auto zurück, um sich mit Trainerkollegen abzusprechen, Kaderathleten zu unterstützen. Dennoch: „Ich kann mir nichts anderes vorstellen“, sagte er. „Ich arbeite mit hochmotivierten Athletinnen und Athleten, das ist eine tolle Sache.“
Wie alle Spitzentrainer ist auch Kasch Experte seiner Sportart. Als Diplomtrainer mit einem Sportstudium und einer A-Lizenz des Verbandes ist er umfassend ausgebildet.
Permanent weiterbilden
Dennoch liegt ihm die Fortbildung am Herzen. So nutzt er das Know-how von „Momentum“, dem Deutschen Forschungszentrum für Leistungssport der Deutschen Sporthochschule Köln, sowie Leistungen von Spezialisten, zum Beispiel von Mentaltrainern. „Der Austausch mit anderen Sportarten bringt viel, auch für Toptrainer ist es wichtig, über den Tellerrand zu schauen.“ So könne man zum Beispiel von den Judoka verletzungsfreies Fallen lernen.
„Es ist nicht mehr damit getan, einmal eine Ausbildung oder ein Studium absolviert zu haben“, unterstreicht Professor Dr. Joachim Mester, Leiter von „Momentum“: „Wenn jemand Menschen belastet, ist es nötig, dass er möglichst viel darüber weiß. Es ist völlig unverzichtbar, auf dem Laufenden zu bleiben.“
Man brauche ein Gesamtkonzept: „Es gilt, den Spagat zu machen, neueste wissenschaftliche Erkenntnisse mit der Prüfung einer praktischen Umsetzung zu verbinden.“ Deshalb habe man zusammen mit der Sportstiftung NRW sogenannte Interfaces (Schnittstellen) entwickelt, die genau das tun.
Verändertes Berufsbild
Für Grit Weinert (Foto), Triathlon-Nachwuchstrainerin am Bundesstützpunkt in Essen, hat sich das Bild des Trainerberufs geändert: „Der Trainer ist nicht mehr das, was man sich früher darunter vorgestellt hat, also derjenige, der aus sportlicher Sicht mit dem Athleten arbeitet. Heutzutage ist er für das gesamte Umfeld verantwortlich.“
Sie gewährt einen Blick in die Drucksituation, in der Trainer und Athleten in diesem Feld stehen: „Niemand meint das böse, aber die Erwartungen von Schule, Eltern, Spitzenverband, Sportstiftung etc. sind nun mal da.“ Und in der Gesellschaft sei der Trainer nicht anerkannt: „Hat der Sportler Erfolg, ist der Sportler erfolgreich, hat er Misserfolge, war der Trainer schuld.“ Ihr Urteil ist ernüchternd: „Für Nachwachsende ist der Job zu unattraktiv.“ Es sei klar: „Man muss für den Job brennen.“
Auch Susanne Wiedemann, am Olympiastützpunkt Rheinland angestellte Trainerin und Nationaltrainerin 7er-Rugby (Frauen), brennt für ihren Job. Mit ihrer Mannschaft verfolgt sie ein anspruchsvolles Ziel: die Teilnahme an den Olympischen Spielen, am besten bereits 2016 in Rio, wenn ihre Sportart dort erstmals vorgestellt wird. „Die Erwartungen sind hoch“, sagt sie, „andererseits geben mir Ziele auch Kraft.“
Die Leistungssportstrukturen in ihrer Sportart seien erst in den letzten Monaten gewachsen. „Eine große Herausforderung für Trainer ist es, mit die Strukturen zu schaffen, die ganz nah am Sport sind und es Athletinnen zu ermöglichen, sich kurz-, mittel- und langfristig für den Leistungssport zu entscheiden. Der Spagat zwischen der tatsächlichen Trainingsarbeit und den restlichen Aufgaben und Erwartungen fällt nicht immer leicht“, stellt sie fest. Trotz der Erwartungen fühlt sich die erklärte Team-Playerin sehr gut unterstützt.
Mit Leidenschaft dabei
Medaillen sind das eine. Aber was alle Trainer eint, ist die Leidenschaft für die Arbeit mit ihren Schützlingen. „Mir ist wichtig, das sich jeder Athlet individuell verbessert“, urteilt André Kahrweg, U16-Trainer am Bundesstützpunkt TV Wattenscheid 01, „nicht jeder entwickelt sich zum Topsportler, aber das ist ok.“
Auch Helena Hermens, Leichtathletiktrainerin im Team der Junioren-Nationalmannschaft beim Deutschen Behindertensportverband sieht dies nicht anders: „Es ist nicht nur der Leistungssport, der bei meiner Arbeit im Fokus steht, sondern die ständige Herausforderung, bei jedem Athleten trotz Handicap das Optimale herauszuholen.“
Zurück ins Regattahaus am Baldeneysee. Es ist Abend. Ralf Wenzel arbeitet mit seinen Athleten im Kraftraum. Korrigiert, motiviert. Ganz über den Tellerrand schauend hat man Übungen der Gewichtheber adaptiert. Ein ehemaliger Schützling ist zufällig zu Besuch. „Seinetwegen bin ich selbst auch Trainer geworden, die Zusammenarbeit seinerzeit war prägend“, sagt er mit Blick zu Ralf Wenzel und wirkt irgendwie dankbar.
(Foto: Andrea Bowinkelmann)
Quelle: www.lsb-nrw.de