Normalerweise wissen wir kaum etwas darüber, was sich hinter den Mauern eines Gefängnisses abspielt. Und noch weniger wissen wir, ob und wie dort Sport betrieben wird. Durch eine Kooperation des SV Ophoven mit der Justizvollzugsanstalt (JVA) Heinsberg ist das Thema jedoch jetzt mehr in die Öffentlichkeit gerückt.
Der SV Ophoven wurde für sein Engagement Ende letzten Jahres mit dem Stern des Sports in Bronze und auf Landesebene mit einem Sonderpreis ausgezeichnet – es folgten Zeitungsberichte und ein Filmbeitrag des Senders Sky Sport News HD. Wir waren vor Ort, um über das außergewöhnliche Engagement eines Sportvereins zu berichten, der einen großen Beitrag zur Resozialisierung junger Strafgefangener leistet.
Freiheit auf Zeit
Zwei Mal wöchentlich parkt Dirk Schulze, 1. Vorsitzender des SV Ophoven, sein Auto direkt vor den meterhohen Mauern der JVA Heinsberg. Es dauert nicht lange, bis sich die schweren Stahltüren des Knasts öffnen und eine Truppe junger Männer in Fußballklamotten den Freigang antritt. Sie steigen in Schulzes Wagen und nach einigen Kilometern erreichen sie den Sportplatz des SV Ophoven. Dort wird gerannt und gedribbelt, was das Zeug hält. Freiheit auf Zeit – auch im Strafraum.
Ein ganz normaler Trainingsbetrieb einer Kreisliga-Mannschaft. Ein Unterschied zwischen „Ganoven“ und „braven Bürgern“ lässt sich nicht ausmachen. Mittelfeldspieler Anatol Sudheimer: „Ich finde es gut, dass die Jungs bei uns mitspielen. Sie stärken unsere Mannschaft, wir haben keine Vorbehalte. Angefeuert wird jeder gleich.“
Am Anfang gab es Berührungsängste
Die Kooperation geht auf eine Initiative von Dirk Schulze im Jahr 2009 zurück. Ophoven ist ein Dorf bei Mönchengladbach und die Mannschaftsdecke war einfach zu dünn. „Ich erinnerte mich, dass in den 80er Jahren bereits junge Männer aus der JVA bei uns mitgespielt hatten. Und so habe ich eines Tages einfach bei der Anstaltsleitung vorgesprochen und traf direkt auf offene Ohren.“ Schnell war man sich einig, und Schulze bekam auch im Verein mit dem Satz „Dann mach mal“ grünes Licht.
„Als die Jungs zum ersten Mal mittrainierten, gab es schon Berührungsängste. Aber über den Fußball kam man sich schnell näher.“ Auch wenn die Freigänger sich schnell in die Mannschaft integrierten, so stellt die Fluktuation doch ein Problem dar. Oft sind die Spieler aus der JVA nur einige Monate dabei, dann endet ihre Inhaftierung. „Hier sind wir aber mit der Anstaltsleitung im Gespräch, dass wir die Spieler länger bei uns haben“, sagt Schulze.
DFB-Projekt „Anstoß für ein neues Leben“
Die straffälligen Kicker gehören zum DFB-Projekt „Anstoß für ein neues Leben“, das in der JVA Heinsberg genauso läuft, wie in weiteren 14 JVAs bundesweit. In einer Wohngruppe leben insgesamt 20 junge Männer zusammen, die im Knast gemeinsam trainieren und von denen wiederum bei guter Führung einige zum SV Ophoven entsandt werden.
Herbert Stolz, JVA-Sportbeamter, der seinen Übungsleiterschein „C“ beim Kreissportbund machte: „Durch den Sport werden nicht nur Gesundheit und Fitness gefördert. Hier ist auch das kontrollierte Ausagieren von Aggressionen möglich, Regeln müssen eingehalten werden, Konflikte müssen sportlich fair bewältigt werden. Für die jungen Männer ist das eine tolle Basis für eine straffreie Zukunft.“
Geringere Rückfallquote
Der Erfolg mannschaftsorientierter Angebote im Gefängnis wurde in verschiedenen wissenschaftlichen Studien festgestellt. Mitglieder einer Fußballmannschaft mit Gefangenen, die auch außerhalb der Anstalt gespielt haben, wurden lediglich zu 49 Prozent rückfällig.
„Unter Betrachtung der durchschnittlichen Rückfallquote von ca. 63 Prozent und höher ist das ein sehr guter Wert. Der Einsatz von sportlichen Maßnahmen ist für die resozialisierende Arbeit somit als erfolgreich einzuschätzen“, sagt Pauline Reifferscheidt, Studentin der Sozialen Arbeit in Aachen. Reifferscheidt begleitet die Kooperation zwischen dem SV Ophoven und der JVA Heinsberg aus wissenschaftlicher Sicht.
Quelle: www.lsb-nrw.de