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November 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

Berlin (SID) Paul Biedermann begeisterte als Staffel-Held und als Berliner Bär, Marco Koch schwamm mit Reiswaffeln zu Gold, und ein „unmenschlicher“ Patrick Hausding schrieb Wassersprung-Geschichte: Bei der Schwimm-EM in Berlin haben wieder einmal die wenigen Weltklasse-Athleten für die Highlights gesorgt und dem Deutschen Schwimm-Verband (DSV) die Bilanz aufpoliert.

24 Stunden nach seinem unwiderstehlichen Goldrennen in der Staffel über 4×200 m Freistil fehlte Biedermann jedoch die Kraft für eine weitere Glanzleistung. Zum Abschluss der Titelkämpfe im Berliner Velodrom belegte der Weltrekordler als Schlussschwimmer mit der Lagenstaffel nur den vierten Platz.

„Leider haben wir nicht die Leistung gebracht, die das Publikum verdient gehabt hätte“, sagte der 28-Jährige, der genau wie seine Teamkollegen Jan-Philip Glania, Marco Koch und Steffen Deibler als Berliner Bär verkleidet einmarschiert war.

Mit Bronze vom Drei-Meter-Brett sorgte Wasserspringerin Nora Subschinski im letzten Wettbewerb für das einzige DSV-Erfolgserlebnis am Schlusstag. Insgesamt stehen damit 22 Medaillen (sechsmal Gold, achtmal Silber, achtmal Bonze) zu Buche. Dies bedeutete im abschließenden Medaillenspiegel Platz vier hinter Großbritannien (11-8-8), Russland (9-7-3) und Italien (8-3-12).

Die Beckenschwimmer bewiesen nach den Debakeln bei Olympia 2012 und der WM im vergangenen Jahr mit sechs Medaillen (2-3-1) einen kleinen Aufschwung. Das von Bundestrainer Henning Lambertz ausgerufene Ziel, mittelfristig wieder „die Nummer eins in Europa“ zu sein, ist aber noch weit entfernt.

Die von Dreifach-Europameister Patrick Hausding angeführten Wasserspringer (3-3-4) behaupteten sich dagegen in der europäischen Spitze, genau wie in der ersten EM-Woche die Freiwasserschwimmer (1-3-2). Die Synchronschwimmerinnen erreichten in drei von vier Wettbewerben das Finale. DSV-Präsidentin Christa Thiel zog ein positives EM-Fazit: „Das war eine runde Veranstaltung und gute Werbung für den deutschen Schwimmsport.“

Das galt vor allem für die Freistilstaffel, die Biedermann mit einer Energieleistung zu Gold gezogen hatte. „So ein Rennen bin ich noch nie geschwommen“, sagte der Hallenser, der bei der letzten Wende mit einer Sekunde zurückgelegen hatte. Nicht nur DSV-Chefin Thiel hatte „Gänsehaut pur“.

Eine sportliche Antwort auf den EM-Fehlstart mit dem verbummelten Vorlauf-Aus über 400 m hatte er bereits mit Silber über die halbe Distanz gegeben. „Paul hat das weltklasse gelöst“, lobte Lambertz, der die Kritik an Biedermanns Startverzicht über die 100 m zugunsten der Staffeln nicht nachvollziehen konnte: „Dafür gebührt ihm Anerkennung, Lob und Respekt – aber keine Kritik.“ Der Doppel-Weltmeister von 2009 selbst forderte: „Die Leute sollen mir ruhig etwas vertrauen.“

Aus Biedermanns Schatten schwamm endgültig Marco Koch mit seinem Gold über 200 m Brust. Das Erfolgsrezept der „Koch-Show“: Schlanker, fitter und schneller dank glutenfreier Ernährung. Nach seinem Triumph gönnte sich der Vize-Weltmeister aber nicht wie sonst Reiswaffeln, sondern eine Salami-Pizza.

Zu überzeugen wussten auch die überraschenden Medaillengewinner Philip Heintz (Silber 200 m Lagen), Christian Diener (Silber 200 m Rücken) und Glania (Bronze 100 m Rücken). Getrübt wurde die Stimmung durch die medaillenlosen Auftritte der Schwimm-Frauen – und das zwölf Jahre nach den EM-Festspielen von Franziska van Almsick an selber Stelle.

Aus den Wassersprung-Wettbewerben machte Patrick Hausding unterdessen eine One-Man-Show. Mit dreimal Gold und einmal Silber schloss der Synchron-Weltmeister zum bislang erfolgreichsten Wasserspringer einer EM, dem Russen Dimitri Sautin, auf. Für Synchron-Partner Stephan Feck war Hausdings Leistung „fast schon unmenschlich“.

Finanziell riss das Event mit insgesamt etwa 60.000 Zuschauern kein großes Loch in die Kassen des klammen Verbandes. „Der DSV ist nach wie vor liquide“, sagte Thiel über die fünf Millionen Euro teure Veranstaltung.