Berlin (SID) Es ist eine Zäsur im deutschen Sport. Erstmals fällt mit Curling eine olympische Sportart aus der staatlichen Förderung. Der Streit zwischen Sport und Politik um die deutsche Leistungssportförderung spitzt sich weiter zu und hat offenbar ein erstes Bauernopfer gefunden. Der Deutsche Curling-Verband (DCV) wird voraussichtlich als erster olympischer Fachverband wegen fehlender Finanzmittel aus der staatlichen Förderung fallen, um die anderen Wintersportarten nicht stärker zu belasten.
Dies würde nicht nur das Ende des Curling-Leistungssports in Deutschland bedeuten, sondern ist auch ein möglicher Hinweis auf einen Paradigmenwechsel im deutschen Sport. Eine Konzentration der Gelder auf die erfolgsversprechenden Sportarten wird immer wahrscheinlicher. „Der Leistungssport steht am Scheideweg“, sagt DOSB-Präsident Alfons Hörmann: „Die zur Verfügung stehenden Mittel reichen nicht aus, um in der vollen Breite und notwendigen Tiefe und Professionalität zu fördern.“
Erste Leidtragende sind die Curler. Um den Verband vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren, seien die Verträge aller Trainer und des Sportdirektors bereits fristgerecht gekündigt worden. Die Finanzierung von Sportstätten und Trainingslagern ist mehr als ungewiss. „Der Leistungssport im Deutschen Curling-Verband ist am Ende und hat so wahrscheinlich für lange Zeit keine Chance mehr, zurückzukommen“, sagt Verbandspräsident Dieter Kolb, der seiner Sportart einen „Rückfall in die Steinzeit“ vorhersagt.
Doch die Curler dürften nicht die letzten sein, denen in Zukunft Einschnitte drohen. „Solange der deutsche Sport nicht mehr Mittel erhält, der Bedarf aber an allen Stellen wächst, sind wir gezwungen, Prioritäten zu setzen“, erklärte Hörmann: „Wir sehen an diesem aktuellen und wenig erfreulichen Beispiel, welcher Stein ins Rollen kommt, wenn es uns nicht gelingt, mit dem BMI und der Politik zu anderen und neuen Formen der Förderung zu kommen.“
Hintergrund der Entscheidung ist der seit langem schwelende Streit zwischen dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und dem Bundesinnenministerium (BMI) um die staatliche Unterstützung des Leistungssports. Zum Verhängnis wird dem DCV offenbar eine vergleichsweise geringe Finanzlücke von rund 350.000 Euro für die gesamten deutschen Wintersportverbände. „Da das BMI nicht bereit ist, diese Mittel aufzustocken, wird der DCV aus der Gesamtförderung genommen, um die Lücke zu stopfen“, sagt Kolb.
Auf SID-Anfrage verwies eine Ministeriumssprecherin auf das Votum des DOSB und betonte, dass das BMI über die Weiterförderung des DCV eine „eigene Förderentscheidung“ treffen werde. Beide Seiten, so scheint es, schieben sich den Schwarzen Peter zu.
Hausintern hat bereits der Deutsche Skiverband (DSV) Konsequenzen gezogen. Um die Zukunft der populären und geldbringenden Kernbereiche Biathlon, Ski alpin und Ski nordisch nicht zu gefährden, wurde der Bereich Buckelpiste aufgegeben. Die Sparte erhält von der eigenständigen Leistungssport GmbH des DSV keine Mittel mehr, die dadurch „eingesparten“ rund 250.000 Euro werden anderweitig investiert.
Fördergelder erhält der Verband angeblich weiter für das Skispingen der Frauen sowie für Skicross und Freestyle (Slopestyle/Halfpipe), allerdings sind diese personenbezogen, heißt: Es werden damit etwa Trainer finanziert, Geld für sportliche Maßnahmen oder dringend benötigte permanente Trainingsanlagen – wie etwa eine Halfpipe – fließt nicht.
Der Deutsche Eishockey-Bund (DEB), selbst von finanziellen Problemen gebeutelt, einigte sich in den Gesprächen auf eine stärkere Projektförderung. „Wir sind erfolgsabhängiger als zuvor, weil wir keine feste Förderung über vier Jahre mehr haben“, sagte DEB-Generalsekretär Michael Pfuhl dem SID: „Wir müssen uns unsere Gelder Jahr für Jahr durch sportliche Leistungen erkämpfen.“
Wie aus mehreren Verbänden zu hören ist, liegen allerdings bislang nur Absichtserklärungen des BMI vor. Wie es ab dem 1. Januar 2015 weitergeht, steht noch nicht endgültig fest.
Das BMI stellt jährlich 138 Millionen Euro an öffentlichen Geldern für den Spitzensport bereit. Neben dem BMI investiert das Verteidigungsministerium etwa 30 Millionen Euro in etwa 800 Sportsoldaten und -soldatinnen. Die Sporthilfe unterstützt etwa 3800 Athleten aus 50 Sportarten mit insgesamt rund zwölf Millionen Euro.