Köln (SID) Martin Ödegaard ist mit 16 zu Real Madrid gewechselt – ein früher Hype ist aber längst keine Garantie für eine Weltkarriere. Über ehemalige Supertalente – und was aus ihnen wurde.
Irgendwann hat Nii Lamptey (Ghana) nur noch eine Erklärung für das Drama seines Lebens gehabt. Ein Fluch müsse auf ihm liegen, weil er eine Frau des falschen Stammes geheiratet habe, weil er zum Islam konvertiert sei. Das einstige Supertalent des Fußballs war misshandelt worden, „wie Ware“ in alle Welt verhökert, seine beiden Kinder waren früh gestorben, seine Karriere war am Ende nicht der Rede wert. Dabei sollte er doch der neue Pelé werden – das hatte Pelé selbst gesagt.
Wer verfolgt, was aus einigen der größten Versprechen des Weltfußballs geworden ist, kann mit etwas Unbehagen nach Spanien schauen. Bei Real hat Martin Ödegaard, mit 16 bereits norwegischer Nationalspieler und mit exzellenten Anlagen gesegnet, einen Vertrag unterschrieben. Die größten Vereine der Welt hatten ihn und seinen Vater umschwärmt. Auch der FC Bayern, der erst im „Finale“ aussortiert wurde.
Selbstverständlich gibt es auch den Weg vom Supertalent zum Superstar. Man schaue nur auf Neymar oder Lionel Messi. Aber auch Patrick Falk spürt im Fall Ödegaard ein Magengrummeln. Er gehörte selbst zu jenen, denen man einst zutraute, die Welt zu erobern – aber seine Welt wurde die Regionalliga. „Real Madrid ist nicht Pogon Stettin oder Lech Posen“, sagte Falk dem SID, „man kann einem Ödegaard das nicht verübeln. Von Real kann man immer noch überall hingehen. Aber der Junge sollte aufpassen!“
Falks Riesenchance verstrich im Sommer 1995. Er muss nur an den Handschlag Johan Cruyffs denken, schon kommt die Gänsehaut. „Romario, Stoitschkow, Guardiola – alle waren sie da. Ganz, ganz großes Kino“, berichtet der 34-Jährige. Er hatte in allen U-Nationalmannschaften äußerst Vielversprechendes geleistet, der FC Barcelona wollte ihn verpflichten – dann kam das Veto seines Vaters. Falk blieb bei Eintracht Frankfurt, mit 22 kam ein Knorpelschaden, das war’s schon fast.
Falk, heute Spielerberater, reiht sich ein in die Liste jener, die es nicht geschafft haben. Es gibt Fälle wie ihn, die fast unbekannt sind, und Fälle, die prominenter sind, weil die große Bühne vor dem Einbruch bereits erreicht war: Sebastian Deisler, der schon bei Bayern München spielte, als die Depressionen und schweren Verletzungen kamen. Denilson, einst teuerster Spieler der Welt, in Vietnam gestrandet. Nikon Jevtic, von seinem älteren Bruder ganz unbescheiden in „El Maestro“ umbenannt und in der 7. Liga Österreichs versunken.
Patrick Falk ist mit sich versöhnt, er hat seinem Vater das Nein nie krumm genommen. „Wehmut ist da. Frankfurt und Barcas Nachwuchsakademie La Masia – das war wie Polka gegen Hip-Hop! Aber es war eigentlich richtig“, sagt er.
Andere schleppen sich so durch. Freddy Adu war mit 14 ein Wunderkind, er sollte der erste Fußball-Weltstar Amerikas werden. Zehn Jahre später ist er ein Wandervogel ohne Aussicht, er spielt beim EC Bahia aus Salvador in Brasilien.
Auch Nii Lamptey hat die Welt bereist, das ist vielleicht das Positive seines Lebensweges. Einst ließ er sich im Kofferraum von Ghana nach Nigeria schmuggeln, um dem Terror seines Vaters zu entfliehen, später war er in Eindhoven, England, Venedig, Argentinien – und bei der SpVgg Greuther Fürth. Überall mit bescheidenem Erfolg.
Hätte er die fantastische, ja märchenhafte Prophezeiung erfüllt, er wäre wohl der beste Fußballer der Welt geworden. „Das fällt aus. Darüber bin ich selbst am traurigsten“, sagte er einmal in einem 11Freunde-Interview: „Glauben Sie mir.“