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April 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

Berlin (SID) Die heftige Debatte um die Verlegung der Fußball-WM 2022 in Katar in den Winter geht weiter. FIFA-Generalsekretär Jérôme Valcke erteilte den Hoffnungen europäischer Klubs auf Entschädigungen eine klare Absage. Die DFL reagiert verärgert.

Die FIFA lässt im Streit um die Winter-WM 2022 in Katar die Muskeln spielen, doch der deutsche Profi-Fußball geht auf Konfrontationskurs. „Die FIFA ist verpflichtet, Kompensationszahlungen gegenüber Ligen mit erkennbaren Nachteilen zu leisten“, sagte Liga-Präsident Reinhard Rauball – und sprach von einem „Schaden“ für die Klubs, die ihre Spieler bis Weihnachten in die Wüste schicken müssen.

Das strikte Nein von FIFA-Generalsekretär Jérôme Valcke zu den geforderten Schadenersatzzahlungen ist für Rauball ein „Unding“. Der 68-Jährige geht von einem langen Kampf mit der FIFA aus und suchte schon Mitstreiter. „Man muss gucken, dass man eine breite Basis in Europa findet, mit anderen Ländern, die betroffen sind“, sagte er.

Auf einer Linie liegt Rauball bereits mit Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge, der gefordert hatte, Vereine und Ligen für die geplante WM-Verlegung in die Monate November und Dezember zu entschädigen. „Den Ligen kann nicht zugemutet werden, allein den Preis für die Verlegung der FIFA-WM in den Winter zu bezahlen. Wir erwarten die Bereitschaft, den Schaden für die Klubs zu kompensieren“, sagte Rummenigge.

Am 25. Februar hatte Valcke in Doha den Bemühungen eine deutliche Absage erteilt. „Es wird keine Entschädigung für die Vereine geben, es sind ja noch sieben Jahre Zeit für die Organisation.“ Valcke war sich offenbar der Brisanz seiner Aussage bewusst und verwies rasch auf die Abstellgebühren, die die FIFA an die Klubs bereits zahlt. Die Verschiebung „passiert einmal, wir zerstören aber nicht den Fußball“, sagte der Franzose: „Wofür sollten wir uns bei den Klubs entschuldigen?!“

Dennoch: Europas Top-Vereine befürchten durch die WM finanzielle Einbußen. Das Merchandising dürfte zum Weihnachtsgeschäft einbrechen, wenn der Spielbetrieb eingestellt ist. Zudem drohen durch die WM mitten in der Saison weniger Pay-TV-Gelder und zurückhaltende Sponsoren.

Präsident Frédéric Thiriez von der Vereinigung der Europäischen Fußball-Profiligen (EPFL) bezeichnete die bevorstehende Verschiebung der WM als „worst case“. „Man kann sich vorstellen, was in Frankreich, Deutschland, Spanien und Italien passiert. Wir unterbrechen den Liga-Betrieb Anfang November, nach 13 oder 14 Spieltagen, und wir beginnen wieder zwei Monate später im Januar. In der Zeit werden viele Profis nicht spielen, die Klubs haben nicht mehr so hohe Einnahmen und die Fans und TV-Sender sind wütend und fordern Rabatte.“

Wenig Verständnis für das Verhalten der FIFA zeigte auch DFL-Boss Christian Seifert. Über die Entscheidung der Exekutive pro Katar und die Auswirkungen auf die Ligen sagte Seifert der Sport-Bild: „Da wird ein hochgradig ausdifferenzierter Spielkalender auf den Kopf gestellt, das ist fatal. Jürgen von der Lippe hat mal gesagt: Hinten kackt die Ente.“ Der Kopf, die FIFA, hat nun mit dem neuen Termin offenbar alle Probleme mit Katar gelöst, doch „hinten“, an der Basis des Fußballs, in den Ligen und unter den Fans, da müsse man die Fehler ausbaden.

Zu den Verlierern gehören auch zweifelsohne die Wintersport-Verbände. „Wir sind sehr unzufrieden. Der Wintersport wird zum Opfer der Rücksichtslosigkeit des Fußballs“, sagte Präsident Gerd Heinze von der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG). Die Eisschnellläufer absolvieren im November und Dezember bereits ihre ersten Weltcups. „IOC-Präsident Thomas Bach hat verkündet, dass es eine gute Lösung geben wird. Das ist aber nun nicht der Fall. Am Ende können wir uns aufregen wie wir wollen, ändern werden wir eh nichts mehr“, sagte Heinze.

Die deutschen TV-Sender bemühten sich um Beruhigung. „Der Wintersport wird auch 2022 nicht vom Bildschirm verschwinden“, sagte ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz dem SID. „Vielleicht wird er dann in reduzierter Form gezeigt, aber der Wintersport bleibt. Wenn es Parallelen zum Fußball gibt, wird der Fußball sicherlich Priorität haben“, meinte der ZDF-Chef.

IOC-Präsident Bach indes lobte die WM-Verlegung in den Winter und war in erster Linie froh, dass der Termin nicht mit den Olympischen Winterspielen im Februar 2022 kollidiert. „Der FIFA und dem IOC war immer klar, dass es bei einem Konflikt zwischen WM und Olympischen Winterspielen keinen Gewinner gibt. Nun haben wir aber eine Win-Win-Situation“, sagte der IOC-Chef.