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Oktober 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

Paris/Köln (SID) Guillaume Antonietti blickte nachdenklich in die Kamera, dann lächelte er. „Das ist wie von einem anderen Planeten, unmenschlich“, sagte er und fügte rasch hinzu: „Aber es ist auch beängstigend.“ Wenig später rannte er wieder im Affenzahn durch Paris und fühlte sich, als könnte er „ewig so weitermachen“.

Guillaume Antonietti, ein gut trainierter Amateursportler, war Teilnehmer einer spektakulären Studie aus Frankreich, die die schlimmsten Befürchtungen aller Anti-Doping-Kämpfer bestätigte: Doping in Mikrodosierung ist hochwirksam – und kaum nachweisbar.

Die Folgen der Studie könnten gravierend sein. Die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) forderte umgehend Dopingtests in den Nachtstunden. Die in der Studie angewandte Art des Dopings zeige, „dass Kontrollen – in verhältnismäßiger Anzahl – auch zwischen 23 Uhr abends und sechs Uhr morgens durchgeführt werden müssen, damit hier keine Lücke vorhanden ist“, hieß es in einer NADA-Stellungnahme.

Acht Ausdauerathleten waren in der vom TV-Sender France 2 in Auftrag gegebenen Studie unter strenger medizinischer Aufsicht einen Monat lang mit Eigenblut, Epo, Wachstumshormonen und Kortikosteroiden gedopt worden. Regelmäßig, aber immer nur in Mini-Mengen wurden ihnen die weithin bekannten Dopingmittel gespritzt. Die Mikrodosierungen hinterließen keinerlei Spuren in den Blutpässen der Probanden.

Die Steigerung der Leistungsfähigkeit war enorm. Einer der acht Athleten, der täglich 24 Kilometer weit lief, drückte seine Bestmarke während der Testphase auf dieser Strecke um zehn Minuten. Die größte Steigerung beim 3000-m-Lauf in der Halle innerhalb der 29 Tage: sagenhafte 31 Sekunden.

„Dieser Leistungszuwachs ist schon überraschend. Diese Mikrodosierung hatte einen enormen Effekt, das war vorher in diesem Maße nicht bekannt“, sagte der Nürnberger Pharmakologe und Dopingexperte Fritz Sörgel dem SID und sprach von einer Blaupause für den Alltagsgebrauch im Spitzensport: „Man muss davon ausgehen, dass es so gemacht wird.“

Doping in Mikrodosen ist nur in einem kurzen Zeitraum von – wenn überhaupt – wenigen Stunden nachweisbar. Fällt dieser Zeitraum in die Nacht, kann der gedopte Athlet sich praktisch sicher sein, nicht erwischt zu werden. Dopingkontrollen zwischen 23 Uhr und sechs Uhr sind derzeit zwar möglich, werden aber praktisch nicht durchgeführt. Der WADA-Code fordert dafür „begründete Fälle“.

Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA hatte für die brisante Testreihe zuvor die Erlaubnis erteilt. Bis das Studienteam alle relevanten Genehmigungen für die Testreihe beisammen hatte, vergingen 18 Monate. Laut France 2 wurden die Athleten während der Studie „zu keiner Zeit positiv getestet“.

Die NADA kündigte eine genaue Untersuchung der Ergebnisse an und verwies auf die „kriminelle Energie“, die für Doping in dieser Form notwendig sei, da man für Mikro-Dosierungen „entsprechendes Knowhow“ und „professionelle Anleitung“ brauche.

Mit eigentümlicher Logik fügte die NADA hinzu: „Diese Art von Doping in Mikro-Dosierungen zeigt, dass das Kontrollsystem immer engmaschiger wird – bei höheren Dosierungen ist das Risiko für die Doper, erwischt zu werden, hoch.“ Seit Jahren ertappt die NADA einen verschwindend geringen Anteil der gedopten Sportler, 2013 waren von 8106 Trainingskontrollen drei positiv.

Die in Paris getesteten Athleten berichteten zudem von einer enormen Verbesserung des Wohlbefindens. „Ein Athlet hat ausgesagt, dass er jeden Morgen um fünf Uhr früh topfit senkrecht im Bett steht. Insofern ist die Studie auch eine Anleitung für den Normalo im Alltag – was natürlich problematisch ist“, sagte Sörgel. Auch er forderte vehement Nachttests: „Jetzt müssen wir halt sagen: Verdammt noch mal, weckt die Leute nachts auf.“

Für den Heidelberger Dopingexperten Werner Franke lieferte die Studie keine Überraschungen. „Wer es so macht, kann positive Tests umgehen – ein Kinderspiel. Das sage ich seit Jahren“, sagte Franke dem SID. Doch auch er sieht eine große Chance für die Anti-Doping-Kämpfer. „Wer mit Mikrodosen dopt, ist nachts quasi immer auf Stoff. Ein Test im Jahr mitten in der Nacht könnte da schon reichen“, sagte Franke: „Aber solange die Nacht tabu ist, ist alles für die Katz.“