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März 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

Hamburg (SID) Jesse Owens hatte sich geprügelt, bevor er zur Legende wurde. Nach einer „freundschaftlichen Rauferei“ war er die Treppe hinuntergestürzt und so taten ihm an diesem 25. Mai 1935 noch immer die Beine weh. Owens fühlte sich alles andere als fit – und schrieb dennoch Geschichte. Fünf Weltrekorde an einem Tag, ein weiterer eingestellt, bis heute unerreicht. Der Tag ging als „Day of Days“ in die Sportgeschichte ein.

„Ich wollte einfach nur gute Leistungen abliefern. Über Weltrekorde habe ich mir keine Gedanken gemacht“, sagte Owens, nachdem sein Stern beim „Big Ten“ im Stadion der Universität in Arbor/Michigan (USA) aufgegangen war. Das jüngste von zehn Kindern eines armen Baumwollpflückers aus den Südstaaten war plötzlich ein Star und wurde in den Presseberichten mit Genies wie Shakespeare und Mozart verglichen. Bis dahin schlug er sich mit schlecht bezahlten Jobs als Nachtportier und Liftboy durch, oder bediente den Zapfhahn einer Tankstelle.

Bis heute streiten sich die Gelehrten, ob der damals 21-jährige James Cleveland Owens, genannt Jesse, seine Höchstleistungen binnen 45 Minuten, 70 Minuten oder zweieinhalb Stunden aufstellte. Wie auch immer: Eine ähnliche Kollektion an Höchstleistungen an einem Tag bleibt bis heute in der Geschichte der Leichtathletik unerreicht.

Am Nachmittag des 25. Mai 1935 rannte Owens, der Usain Bolt seiner Zeit, 100 Yards (91,44 m) zunächst in 9,4 Sekunden – Weltrekord eingestellt. Dann markierte er mit seinem Handtuch die damalige Weitsprung-Rekordweite von 7,98 m und segelte angestachelt auf 8,13 m. Eine Marke, die erst sein Landsmann Ralph Boston 25 Jahre später mit 8,21 m brach. Es folgten in jeweils 20,3 Sekunden die Bestmarken Nummer drei und vier über 220 Yards (201,17 m) und 200 m. Das gleiche Kunststück gelang Owens zum Abschluss noch über 220 Yards und 200 Meter Hürden in 22,6 Sekunden. „Wir haben es gesehen, konnten aber nicht glauben, dass es wirklich passiert“, sagten Zeitzeugen.

Doch Erfüllung fand Owens erst ein Jahr später in Berlin. „Bei Olympia über 100 m zu gewinnen war mein Traum, seit ich ein kleiner Junge von 13 Jahren war“, sagte er und holte zudem Gold über 200 m, im Weitsprung und mit der Staffel über 4×100 m. Die Bilder, wie sich Diktator Adolf Hitler auf der Tribüne ärgerte, gingen um die Welt.

Aus Berlin kehrte Owens als Held zurück, in New York wurde ihm Konfetti zugeworfen. Aber zum Empfang im Nobelhotel Waldorf-Astoria musste er den Warenaufzug nehmen und Präsident Franklin D. Roosevelt lud ihn nie ins Weiße Haus ein. „Nicht Hitler hat mich beleidigt“, sagte Owens einmal verbittert, „sondern mein eigener Präsident.“

Owens beendete seine Laufbahn als Amateursportler schon kurz nach den Olympischen Spielen 1936. Er verdiente sein Geld, indem er 100 m gegen Rennpferde und Windhunde lief – und gewann. „Es war schlimm, aus olympischen Höhen herab zu kommen und gegen Tiere anzutreten, aber ich musste irgendwie überleben, die vier Goldmedaillen konnte man ja nicht essen“, sagte er später.

Zudem verkaufte er seinen Namen für Werbeartikel, eröffnete eine Reinigung und tourte mit einer Jazz-Band durch die USA. Und so bot Owens seiner Frau Ruth und den drei Töchtern ein „angenehmes Leben“, wie er sagte. Owens starb am 31. März 1980 im Alter von 66 Jahren an Lungenkrebs.