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April 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

Peking (SID) Mit der Deutschlandfahne über der Schulter und Tränen in den Augen feierte Christina Schwanitz den größten Triumph ihrer Karriere. Die Top-Favoritin vom LV Erzgebirge hielt in einem wahren Kugelstoß-„Nervenkrieg“ dem enormen Erwartungsdruck stand und sorgte mit Gold am ersten Tag der Leichtathletik-WM in Peking für einen perfekten deutschen Auftakt.

„Das ist unglaublich. Ich fasse das noch gar nicht, das ist so großartig, so surreal“, sagte Schwanitz, die vor den TV-Kameras feuchte Augen hatte. Sie genoss es regelrecht, kontern zu müssen: „Es fällt mir leichter, zu sagen: ‚Ätschibätsch, ich bin auch noch da!'“ Und: „Das war ein Nervenkrieg.“

Mit 20,37 Metern im dritten Versuch krönte sich die 29-Jährige in China zur „Kugel-Kaiserin“ – allerdings mit nur sieben Zentimetern Vorsprung vor der Lokalmatadorin Gong Lijiao. „Ich habe mit Gold geliebäugelt und es mir gewünscht. Jetzt habe ich es“, sagte Schwanitz beim ZDF: „Nach dem dritten Versuch war es reine Psychologie.“

16 Jahre nach dem letzten von drei Titeln durch Astrid Kumbernuss kürte sich Schwanitz als erst zweite Deutsche zur Weltmeisterin im Kugelstoßen – dabei war ihr Mann und Glücksbringer Tomas gar nicht im Stadion. Doch das Daumendrücken vor dem Fernseher zu Hause half. Genauso wie der Glücksbringer, den ihr Mann ihr mitgegeben hatte und den Schwanitz stolz in die Fernsehkameras hielt – ein blaues Gitarrenplektron in Herzform.

Schwanitz ist nun die erste amtierende Europameisterin, die anschließend auch WM-Gold holte. „Ich trinke schon sehr gerne Bier – es gibt sicher mehr als eins“, sagte Schwanitz zur bevorstehenden Feier. Ihr Nervenflattern bei großen Meisterschaften bekam sie übrigen mit der Sportpsychologin Grit Reimann in den Griff. „Sie hat mir ein Problem aus dem Kopf genommen, seitdem kann ich in starken wie in schwachen Momenten meine Leistung abrufen“, sagte Schwanitz.

Mit ihrem Triumph von Peking krönte Schwanitz ihre Karriere – dabei schien ihre Laufbahn im Vorjahr fast beendet. Eine Patellasehnen-Operation verlief „suboptimal“, sagte sie. Das linke Knie schwoll nach dem Eingriff immer wieder an und entzündete sich. „Ich hatte Angst, dass ich nie mehr Kugelstoßen kann. Da gehst du als Leistungssportler durch die Hölle, aber Gott sein Dank hat sich alles zum Guten gewendet“, sagte Schwanitz. Doch erst eine Behandlung mit einer radioaktiven Flüssigkeit brachte Besserung. Das in einem Reaktor hergestellte Mittel wurde Schwanitz ins Knie gespritzt und soll Entzündungen entgegen wirken. „Aber das ist nur wenig, ich bin nicht Tschernobyl“, sagte sie.

Nach ihrem WM-Sieg macht Schwanitz jetzt sogar richtig Kasse. Für Gold erhält die Sächsin vom Weltverband IAAF 60.000 Dollar Prämie überwiesen (etwa 54.000 Euro). Zudem ist der Sportsoldatin ihr erster Gesamtsieg in der lukrativen Diamond League eigentlich nicht mehr zu nehmen. Um die 40.000 Dollar (etwa 35.000 Euro) sowie den Diamantpokal dafür kassieren zu können, muss Schwanitz nur noch beim Diamond-League-Finale am 3. September in Zürich antreten. Das sollte für die neue Kugel-Kaiserin von China doch möglich sein.

Und dann gab es in Peking für die deutschen Leichtathleten nach dem „Goldener Auftakt“ auch noch einen „Goldenen Abschluss“: Speerwerferin Katharina Molitor trat mit ihrem Sensationssieg die Nachfolge von Titelverteidigerin Christina Obergföll an und sorgte mit ihrem Gold-Coup in Peking für einen starken Schlusspunkt. Am letzten Tag der Titelkämpfe krönte sich die 31-jährige Leverkusenerin zur Überraschung aller  zur Weltmeisterin – und als I-Tüpfelchen auch noch mit dem letzten Wurf der gesamten Konkurrenz. „Gold? Daran hätte ich nie gedacht. Das ist unglaublich, unbeschreiblich“, sagte Molitor, die Bronze vor ihrem letzten Wurf schon sicher hatte und dann mit ihrem Versuch auf 67,69 Meter sogar noch Gold holte. Niemand warf in dieser Saison weiter.