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Oktober 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

Köln (SID) König Fußball war auch 2015 in der Gunst der TV-Zuschauer die klare Nummer eins. Für die anderen Sportarten dürfte die Luft in Zukunft noch dünner werden.

Fußball, Fußball, Fußball – die TV-Vorliebe der deutschen Sportfans für das runde Leder war auch im sportlichen Zwischenjahr 2015 eindeutig. Mit dem WM-Triumph 2014 im Rückspiegel waren die Leckerbissen in Champions League und DFB-Pokal sowie die Länderspiele der deutschen Nationalmannschaft die starken Zuschauermagneten.

Der Allzeit-Quotenrekord der ARD mit 34,57 Millionen TV-Zuschauern und 86,2 Prozent Marktanteil vom 13. Juli 2014, als die deutsche Mannschaft sich im WM-Finale gegen Argentinien den vierten Stern holte, wurde naturgemäß nicht annähernd angetastet. Doch dass sich auf den ersten 17 Plätzen im Quoten-Ranking 2015 ausschließlich Fußball-Übertragungen wiederfinden, bestätigt den Trend der letzten Jahre.

Mit 13,46 Millionen Zuschauern im Schnitt (43,2 Prozent Marktanteil) verbuchte das ZDF am 6. Mai bei der Ausstrahlung des 0:3-Debakels von Bayern München im Halbfinal-Hinspiel der Champions League beim späteren Sieger FC Barcelona den Bestwert. Eine weitere Bayern-Pleite schaffte es auf Rang zwei: 12,88 Millionen Menschen sahen am 28. April in der ARD, wie Philipp Lahm und Xabi Alonso am Elfmeterpunkt ausrutschten und der Rekordmeister im Halbfinale des DFB-Pokals an Borussia Dortmund scheiterte.

Ohne Großereignis schaffte es die deutsche Nationalmannschaft „nur“ auf den dritten Platz – womöglich der langatmigen und sportlich wenig reizvollen EM-Qualifikation geschuldet. Als sich der Weltmeister am 11. Oktober in Leipzig gegen Georgien mühsam mit 2:1 das Ticket für die EM 2016 in Frankreich sicherte, zitterten bei RTL 12,69 Millionen Zuschauer mit.

Dafür konnte RTL die populärste Sportübertragung außerhalb des Fußballs verbuchen. Als Box-Gigant Wladimir Klitschko am 28. November nach einem Jahrzehnt der Unantastbarkeit seine WM-Titel im Schwergewicht an den Briten Tyson Fury verlor, saßen im Schnitt 8,91 Millionen Zuschauer (Marktanteil: 40,1 Prozent) vor dem Fernseher – mehr als Platz 18 war mit dieser Quote aber nicht drin. 2013 verbuchte RTL beim Sieg des Ukrainers gegen den Russen Alexander Powetkin noch einen Zuschauerschnitt von 11,02 Millionen.

Keine Frage: Die Schere zwischen dem Fußball und den anderen Sportarten ist 2015 noch größer geworden. Das negative Referendum der Hamburger Bürger zur Bewerbung um die Olympischen Sommerspiele 2024 dürfte nur ein weiteres Indiz für den scheinbar unaufhaltsamen Trend hin zur Monokultur sein.

„Ich bin großer Fan von Borussia Dortmund und des Fußballs, aber ich fürchte, dass Deutschland bald nur noch Großereignisse im Fußball sehen wird“, sagte Dagmar Freitag, die Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag, dem SID: „Ein Land, das sich Sportdeutschland nennt, muss aber allen Sportarten eine Bühne bieten.“

Doch selbst wenn 2015 eine Bühne vorhanden war, sorgten die Quoten oft für Ernüchterung. So flog die Basketball-EM trotz des Zugpferds Dirk Nowitzki und des Heimvorteils in Berlin unter dem Radar vieler Zuschauer. Die beste Quote schaffte noch das 82:89 gegen Italien mit lediglich 1,27 Millionen Zuschauern in der ARD (Marktanteil: 7,1).

Auch der einstige Zuschauermagnet Formel 1 musste 2015 erneut Abstriche machen. Im Schnitt kam RTL bei den 19 Rennen auf 4,20 Millionen Zuschauer (Marktanteil: 24,5). 2013 hatten noch 5,28 Millionen Zuschauer eingeschaltet, auf dem Höhepunkt der Ära Michael Schumacher 2001 waren es 10,44 Millionen gewesen.

RTL-Sportchef Manfred Loppe suchte die Gründe vor allem bei der früh gefallenen WM-Entscheidung. „Für 2016 setzen wir darauf, dass Sebastian Vettel im Ferrari die Lücke zu den dominierenden Mercedes-Piloten Lewis Hamilton und Nico Rosberg schließen kann“, erklärte Loppe. Doch reicht das allein?

Dass es bislang keine verlässliche Quotenerhebung von Livestreams gibt, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit Ausnahme des Fußballs jede Sportart in einer (TV-)Krise steckt. Die Handball-WM im Januar wurde beim Pay-TV-Sender Sky gezeigt, weil sich die ARD nicht mit dem Weltverband IHF einig wurde. Die Olympia-Übertragungsrechte in Deutschland für die Spiele 2018 bis 2024 gingen an den Eurosport-Mutterkonzern Discovery und nicht an ARD und ZDF. Sublizenzen müssen her, um das größte Sportfest der Welt in der „ersten TV-Reihe“ zu halten.