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November 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

Zürich (SID) Mit dem neuen Präsidenten Gianni Infantino will sich die FIFA neu erfinden. Die Wahlversprechen des Schweizers werfen aber erste Fragen auf – der Druck steigt.

Mit offenem Sakko und ohne Krawatte blickte Gianni Infantino lässig auf die Vergangenheit des Fußball-Weltverbands, die am 28. Februar bei der Eröffnung des FIFA-Museums gar nicht so düster schien, wie sie eigentlich ist. „Das war eine sehr schöne Idee von Joseph S. Blatter, sagte der neue FIFA-Präsident zwischen den skandalfreien Exponaten aus der 112-jährigen Verbands-Geschichte – und lachte. Ab Montag sollte sich der 45 Jahre alte Nachfolger des gesperrten Blatter (79) von keiner noch so schönen Ausstellung blenden lassen.

Die FIFA steckt auch nach Infantinos Wahlsieg und der Verabschiedung der dringend nötigen Reformen tief in der Krise – nur der erste Schritt ist gemacht. „Wir werden unermüdlich arbeiten“, versicherte Infantino, dessen erste Arbeitswoche am 29. Februar mit einem Fußballspiel, bei dem er selbst mit Freuden und Journalisten auf dem Platz stand, begann.

„Ein neues Zeitalter hat begonnen“, sagte der bisherige UEFA-Generalsekretär, der die Wahl des FIFA-Kongresses am 26. Februar in der zweiten Runde gewonnen hatte. Zwei Tage später schrieb er vor der Museums-Feierstunde bereits erste Autogramme als der Mann, dessen Aufgabe eigentlich kaum schwieriger sein könnte.

Denn natürlich schauen die Justizbehörden, die kritischen Sponsoren, die (deutschen) Politiker weiterhin mit Argusaugen auf den krisengeplagten Weltverband. „Wir fordern die neue FIFA-Führung auf, die Reformen als oberste Priorität zu sehen“, hieß es in einer Erklärung des Kreditkarten-Giganten Visa: „Unsere Erwartung ist, dass die FIFA unverzüglich handelt und eine Kultur der Transparenz, Verlässlichkeit und Integrität schafft.“ Das milliardenschwere Getränkeunternehmen Coca Cola äußerte sich ähnlich.

Die Reformen, die unter anderem eine Gewaltenteilung, mehr Transparenz und Integrität sowie eine Frauenquote umfassen, werden 60 Tage nach der Wahl in Kraft treten. Die Wahl des neuen Generalsekretärs, der von Infantino zumindest vorgeschlagen wird, hat in den kommenden Wochen die wohl größtmögliche Priorität. Der neue CEO, der nach SID-Informationen deutlich besser bezahlt werden wird als der Präsident, steigt aufgrund der Statutenänderungen zum starken Mann der FIFA auf. Er hält alle Fäden des operativen Geschäfts in der Hand.

Deswegen wird es für Infantino auch schwerer als seinerzeit für Blatter, seine zahlreichen Wahlversprechen umzusetzen. Er will den 209 Verbänden 1,2 Milliarden Dollar, gut ein Fünftel der erwarteten Einnahmen ausschütten – die finanzielle Lage der FIFA scheint aber angespannt. Um die 503 Milliarden Euro (550 Millionen Dollar) werden am Ende des laufenden Finanzzyklus‘ bis 2018 fehlen. Allerdings belaufen sich die Rücklagen des Weltverbandes auf 1,29 Milliarden Euro (1,412 Milliarden Dollar).

„Ich glaube, ich habe da eine gewisse Erfahrung. Wenn die FIFA fünf Milliarden einnimmt, ist es kein Problem, 1,2 Milliarden davon in die Fußball-Entwicklung zu investieren“, versprach Infantino: „Das muss die erste Priorität sein, alles andere steht dahinter. Mein Arbeit bei der Europäischen Fußball-Union zeigt, dass die UEFA nicht bankrott gegangen ist. Ich mache mir da keinerlei Sorgen.“

Zudem lockte Infantino die kleineren FIFA-Mitglieder mit einer Mammut-WM mit 40 statt nur 32 Teams. Der Widerstand aus Europa dagegen ist heftig. „Wir möchten das nicht“, fasste Rainer Koch (57), Interimspräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), zusammen und sprach den Klubs und Ligen aus der Seele. Allerdings schränkte der Jurist auch ein: „Ich bitte auch zu sehen, dass sehr, sehr viele Länder dafür sind. Ich halte es schon für möglich, dass jetzt sehr intensive Gespräche stattfinden werden.“

In Europa überschlugen sich am Wochenende dennoch die Schlagzeilen der Zeitungen. „Gianni Infantino ist der Auserwählte“, schrieb die spanische Marca. In Infantinos Heimatland titelte die Boulevardzeitung Blick: „FIFAntino. Hand aufs Herz: Diese Wahl ist gut für den Fußball und gut für die Schweiz.“ 

Im Fußball-Mutterland England brachte die Daily Mail allerdings auch deutlich Skepsis zum Ausdruck: „Selbst der Einschlag eines Meteoriten würde das Gesicht der FIFA kaum verändern. Die beiden Lebensformen, die in einer post-apokalyptischen Landschaft am wahrscheinlichsten überleben würden, sind Kakerlaken und FIFA-Funktionäre. Infantino war unter den gegebenen Umständen das geringste Übel.“ 

Für Sorgen hat der Infantino-Aufstieg auch bei der UEFA gesorgt. Der mächtige Europa-Verband ist durch den Abgang des Generalsekretärs eine Woche führungslos – UEFA-Präsident Michel Platini ist Stand jetzt für sechs Jahre gesperrt.

Den neuen Generalsekretär wird deshalb am 4. März das UEFA-Exekutivkomitee bestimmen. Ein neuer Boss soll erst gewählt werden, wenn Platinis Verhandlung vor dem internationalen Sportgerichtshof CAS abgeschlossen ist. Zum UEFA-Kongress Anfang Mai wird die Zeit deshalb ganz schön knapp. Spätestens zum Anpfiff der EURO 2016 (10. Juni bis 10. Juli) wird es aber einen neuen UEFA-Boss geben – oder der alte kommt rehabilitiert zurück.

 

Die fünf wichtigsten Reformen der FIFA (zusammengestellt vom SID)

Der Fußball-Weltverband FIFA hat am 26. Februar mit der Verabschiedung des Reformpakets die Weichen für eine bessere Zukunft gestellt. Der SID listet die fünf wichtigsten Veränderungen in den Statuten auf, die 60 Tage nach dem FIFA-Kongress am Freitag in Zürich in Kraft treten:

GEWALTENTEILUNG

Das derzeit allmächtige Exekutivkomitee wird in eine Art Aufsichtsrat mit mehr Mitgliedern (36 statt 24, darunter mindestens sechs Frauen) umgewandelt – und entmachtet. Das operative Geschäfte liegt komplett in den Händen des Generalsekretariats. Der neue Generalsekretär wird dadurch zum mächtigen CEO. Er wird aber weiterhin vom nur noch repräsentativen Präsidenten vorgeschlagen. Der neue Rat („FIFA-Council“) ernennt anschließend den Nachfolger des Deutschen Markus Kattner, der momentan übergangsweise die Geschäfte führt, und kann ihn auch entlassen.

INTEGRITÄT

Jedes neue Council-Mitglied (gewählt wird weiterhin in den kontinentalen Konföderationen) muss einen umfangreichen Integritäts- und Eignungscheck bestehen. Dafür gibt es extra eine zuständige Kommission. Für die derzeitigen Mitglieder des Exekutivkomitees gilt das jedoch nicht rückwirkend. Über allem steht in der neuen FIFA-Organisationsstruktur zudem die unabhängige Audit- und Compliance-Kommission, die beispielsweise alle Geldflüsse überwacht.

AMTSZEITBESCHRÄNKUNG

Schluss mit den Langzeitherrschern. Die Funktionäre in den hohen Ämtern dürfen diese lediglich zwölf Jahre behalten (dreimal vierjährige Amtszeiten). Aber auch hier: Das gilt nicht rückwirkend – auch für die Exko-Mitglieder, die gefühlt schon ewig bei der FIFA sind und Skandale mitzuverantworten haben, wird die Uhr auf null gesetzt. Die erste Amtszeit des früheren DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach (65) endet 2019.

FRAUENQUOTE

Im neuen Council sitzen mindestens sechs Frauen (eine pro Konföderation). Zudem wird es entsprechende Passagen in den Statuten geben. Das Ziel des Weltverbands ist eine Quote von um die 30 Prozent.

TRANSPARENZ

Viel zu oft wurde gefragt: „Was verdient Blatter?“ Durch die Reformen werden die Gehälter der hohen Amtsträger offengelegt – vielleicht schon für das vergangene Jahr.