Paris (SID) Kein Federer, kein Nadal, keine Scharapowa: Die French Open bieten einen Vorgeschmack darauf, wie die Tenniswelt bald ohne einige ihrer betagten Superstars aussehen könnte.
Das deprimierende Wetter passte in den völlig verregneten Tagen von Paris zur Stimmung vieler Tennis-Fans. Erst kein Federer und keine Scharapowa, dann plötzlich auch kein Nadal mehr. Einen „weiteren Donnerschlag“ nannte die französische Sporttageszeitung L’Equipe den Rückzug des spanischen Sandplatzkönigs Rafael Nadal wegen einer Handgelenkblessur.
Der Schweizer Major-Rekordsieger Roger Federer (Rückenverletzung) und die wegen Meldonium-Missbrauchs vorläufig gesperrte Maria Scharapowa aus Russland waren gar nicht erst zum weltweit bedeutendsten Sandplatzturnier an die Seine angereist.
Die 115. French Open boten in fast schon brutaler Weise einen Vorgeschmack auf das anstehende Zeitalter ohne die Superstars Federer (34) oder Nadal, der am Freitag 30 Jahre alt wird. „Wenn diese beiden einmal weg sind, dann wird das weh tun – sehr weh“, sagte der Paris-Viertelfinalist Richard Gasquet. Der Weltranglistenzwölfte aus Frankreich fügte das an, was viele denken: „Immer nur Djokovic gegen Murray …“ Will heißen: Hohe Qualität, ganz klar. Aber in Sachen Brillanz und Ausstrahlung eben nicht gut genug, um aus dem Schatten der „phantastischen Zwei“ herauszutreten.
Das findet auch US-Ikone John McEnroe: „Ein Djokovic hat noch nicht die Aura eines Federer oder eines Nadal. Und es ist noch ein langer Weg bis dahin“, sagte der dreimalige Wimbledonsieger.
Federer (17) und sein ewiger Rivale Nadal (14), die Gesichter einer ganzen Epoche, haben zwischen 2003 und 2014 insgesamt 31 Major-Titel gewonnen. Das letzte gemeinsame Grand-Slam-Finale der beiden Fanlieblinge liegt aber bereits fünf Jahre (Roland Garros 2011) zurück. Die Nummer eins Novak Djokovic (Serbien) gegen die Nummer zwei Andy Murray (Großbritannien), das ist die Gegenwart. So wie in den letzten beiden Australian-Open-Finals.
Und die Zukunft hat längst begonnen. „Man spürt, dass die nächste Generation schon drängelt und nachrückt“, sagte der 29-jährige Djokovic. Der „NextGen“ im Welttennis gehört neben Dominic Thiem(22/Österreich), Nick Kyrgios (21/Australien) und Borna Coric (19/Kroatien) auch der deutsche Hoffnungsträger Alexander Zverev (19) an. Für Nadal ist der 1,98-m-Schlaks aus Hamburg „eine künftige Nummer eins“.
Auch im Frauenfeld gibt es viele Talente. Doch in Sachen Klasse und Glamour kann niemand auch nur ansatzweise mit Branchenführerin Serena Williams mithalten. Doch die Zeit arbeitet gegen die 21-malige Grand-Slam-Gewinnerin: Williams wird im September 35 Jahre alt.
Nicht nur Steve Simon, Vorsitzender der Spielerinnen-Organisation WTA, fürchtet sich vor dem Moment, in dem Williams dem millionenschweren Wanderzirkus den Rücken kehrt. „Ich hoffe, dass Serena, aber auch Scharapowa noch zehn Jahre weiterspielen“, sagte Simon.
Wohlwissend, dass das nicht passieren wird: „Deshalb müssen wir zusehen, dass wir den Boden für neue Stars bereiten“, sagte der Amerikaner. Die Zukunft hat begonnen – das spürt man auch im verregneten Paris.