Rio de Janeiro (SID) Die bis 1896 zurückreichende Geschichte der neuzeitlichen Olympischen Spiele erzählt von Triumph und Trauer, von Glück und Pech, von großen Stars und ebenso großen Verlierern – und von Momenten für die Ewigkeit.
Natürlich kann man Geschichten wie diese beginnen mit den Namen, die jeder kennt. Mit Namen wie Jesse Owens, Mark Spitz, Carl Lewis, Michael Phelps, Usain Bolt oder mit Steffi Graf und ihrem Golden Slam 1988, an dessen Einzigartigkeit alle vier Jahre die Megastars der Branche scheitern.
Man kann auch von großen Mannschaften schreiben, vom legendären ersten Dream Team der US-Basketballer 1992 in Barcelona beispielsweise. Oder man kann an deutsche Protagonisten erinnern, an den schwimmenden Albatros Michael Groß, an die paddelnde Goldmarie Birgit Fischer, an die 90-Sekunden-Brücke von Ringer Pasquale Passarelli 1984 in Los Angeles oder an Zehnkämpfer Willi Holdorf und seine goldenen Tage 1964 in Rom.
Oder man kann etwas aufschreiben über die, deren Namen nicht ganz oder vielleicht gar nicht geläufig sind. Man kann zum Beispiel die Geschichte von George Lyon erzählen, dem „Löwen“, der 1904 in St. Louis das erste und bisher einzige Golfer-Gold gewann. Lyon war damals schon 46 Jahre alt, er lief auf den Händen zur Siegerehrung und sang dabei das irisch-amerikanische Volkslied „The Wild Irish Rose“. Seine Medaille ist bis heute unauffindbar, vielleicht, so will es die Legende, hat er sie im Mai 1938 ja wirklich mit ins Grab genommen.
Einer der olympischen Helden, die wahrhaft Außergewöhnliches vollbrachten, war Abebe Bikila, der erste schwarzafrikanische Olympiasieger. Im September 1960 in Rom lief er die klassischen 42,195 Marathon-Kilometer als Schnellster – er lief sie barfuß. Vier Jahre später in Tokio gewann Bikila noch einmal Gold, dieses Mal in Schuhen, und er sagte danach, dass er sich darin immer ein bisschen unwohl gefühlt habe.
Es gab strahlende und es gab tragische Helden in diesen bemerkenswerten olympischen Jahrzehnten. Einer von ihnen war der amerikanische Sportschütze Matthew Emmons, der 2004 in Athen im Gefühl des sicheren Goldes seine letzte Serie auf die falschen Scheiben abfeuerte und sich so eher unfreiwillig seinen Platz in der olympischen Geschichte sicherte. Oder Liu Xiang, Chinas Hürden-Ass, dessen verletzungsbedingtes Aus im Vorlauf seiner Heim-Spiele 2008 in Peking 1,3 Milliarden Menschen in Schockstarre versetzte.
Und da gab es eben auch diesen einen, dessen Name ein paar Stunden lang golden glänzte, ehe sich kübelweise Schmutz über ihm entlud. Mit hochgerecktem Arm, den spöttischen Blick nach rechts zum vermeintlich geschlagenen Erzrivalen Carl Lewis gerichtet, trommelte Ben Johnson 1988 in Seoul ins Ziel des 100-m-Laufes. Wenig später platzte die Bombe. Im Blut des Kanadiers entdeckten die Dopingfahnder Spuren des Kälbermastmittels Stanozolol – es war und blieb bis zur Aufdeckung von Putins Staatsdoping der größte Skandal der Sportgeschichte.
Lewis bekam damals nachträglich die Goldmedaille, insgesamt neun davon machen ihn zu einem der größten US-Sporthelden der Geschichte. Übertroffen wird er von Schwimmer Michael Phelps, zu dessen Ehren die „The Star-Spangled Banner“ in Athen, Peking und London nicht weniger als 18-mal gespielt wurde – und vielleicht in Rio wieder gespielt wird.
Viele deutsche Namen stehen fettgedruckt in den olympischen Annalen. Zu ihnen gehört unbedingt Luz Long, jener blonde Weitspringer, der 1936 in Berlin unter den Augen Adolf Hitlers Arm in Arm mit dem unvergleichlichen Jesse Owens die Weitsprung-Grube verließ und so der Apokalypse jener Zeit mutig trotzte. Long fiel 1943 im Kampf um den Flugplatz Santo Pietro auf Sizilien, und Owens erinnerte bis zu seinem eigenen Tod im März 1980 immer wieder an „einen Mann mit dem Mut eines Löwen, dessen Freundschaft mir mehr bedeutete als alle Medaillen“.
Eine Aufzählung all jener großen und kleinen olympischen Momente kann nur unvollständig sein. Sie soll jedoch nicht ohne Halla enden, jenes Pferd, das allein unter Kühen auf einer Weide lebte, bis es Hans Günter Winkler begegnete. Der Rest der Geschichte ist ewig junge Legende. Halla trug ihren verletzten und vor Schmerzen fast besinnungslosen Reiter 1956 in Stockholm fehlerfrei über 13 Hindernisse zum Gold. „Sie kannte immer ihren Weg“, sagt Winkler über Halla. Den Weg zum Gold, der nicht immer ans Ziel führt.