Leipzig (SID) Dagur Sigurdsson geht, Christian Prokop kommt – viel ändern wird sich wohl nicht. Der neue Handball-Bundestrainer verfolgt eine ähnliche Philosophie wie sein erfolgreicher Vorgänger.
Dagur Sigurdsson bekam für sein Japan-Abenteuer eine überdimensionale Winkekatze geschenkt, er selbst übergab eher symbolisch den Staffelstab an seinen Nachfolger. „Komm!“, schrie er zu Christian Prokop inmitten der „Dagur, Dagur“-Rufe der 7000 Fans in der Leipziger Halle. Der neue Handball-Bundestrainer zögerte, kam dann aber doch und posierte gemeinsam mit dem Isländer für dessen Abschiedsfoto vor dem Allstar-Game am 3. Februar.
„Das war eine sehr nette Geste von ihm“, sagte Prokop: „Ich wollte eigentlich nicht hin, weil er es absolut verdient hat, im Mittelpunkt zu stehen.“ Ab jetzt ist es aber Prokop, dem für mindestens fünf Jahre die größte Aufmerksamkeit im deutschen Handball gehören soll. Ein 38-Jähriger, der den SC DHfK Leipzig in die Bundesliga geführt und dort etabliert hat. Ein Trainer, den ob seiner Erfolgsbesessenheit und Vorliebe für Matchpläne manche als „Dagur-Double“ bezeichnen.
„Die Philosophie der Bad Boys und die meines Teams weisen Ähnlichkeiten auf, auch deshalb hat sich der DHB für mich interessiert“, sagt Prokop: „Ich werde den Teufel tun, jetzt hier alles umzuwerfen.“
Dass er als Trainer der Bundesliga-Auswahl das Allstar-Game gegen sein künftiges Team mit 40:36 (17:19) gewann, nahm Prokop mit einem Lächeln zur Kenntnis. Über seine Coaching-Qualitäten verriet das Spaß-Spiel kaum etwas. Was aber für ein Trainertyp ist Prokop, der sich im Kandidaten-Casting gegen den früheren Weltmeister Markus Baur durchsetzte? „Es ist ein gesunder Mix aus Schleifer und Kumpeltyp“, verriet Leipzigs Kapitän Lukas Binder dem SID: „Die ostdeutsche Old-School-Trainermentalität ist da, die hat er von seinem Vater. Es gehört ja auch dazu, dass man sich im Kraftraum quält. Er geht aber auch sehr auf seine Spieler ein.“
Der frühere Rückraumspieler musste früh seine aktive Karriere wegen Knieproblemen beenden, deswegen widmete er sich schon in jungen Jahren der Trainerausbildung. Dass er mit geradeein mal 38 Jahren das begehrteste Traineramt im deutschen Handball übernimmt, sei für ihn „ein Traum“.
Wie groß die Fußstapfen sind, in die Prokop tritt, bewiesen auch die Fan-Reaktionen in Leipzig: Sigurdsson, der ab Sommer aus familiären Gründen die japanische Nationalmannschaft übernimmt, wurde mit Standing Ovations verabschiedet. Die großen Sympathien für den kühlen Mann aus dem Norden, der den deutschen Handball aus der Versenkung zum sensationellen EM-Titel und zu Olympia-Bronze geführt hatte, sind für Prokop kein Problem: „Für jeden Trainer wären die Fußstapfen groß. Aber ich traue mir die Aufgabe absolut zu.“
Der Druck ist groß. Bei der EM 2018 in Kroatien soll möglichst der Titel erfolgreich verteidigt, bei der Heim-WM ein Jahr später eine Medaille gewonnen und bei Olympia 2020 Olympia-Gold geholt werden. Der DHB-Vizepräsident Bob Hanning hat lange für seinen Wunschkandidaten gekämpft und am Ende eine Ablöse in Höhe von einer halben Million Euro für den Leipziger Klub ausgehandelt.
Offiziell übernimmt Prokop erst ab dem 1. Juli die DHB-Auswahl, bei den wichtigen EM-Qualifikationsspielen im Mai gegen den WM-Dritten Slowenien wird er aber auch schon an der Seitenlinie stehen. Bis dahin wolle er „Vollgas für Leipzig geben“.
Wenn er bei der Nationalmannschaft mal nicht weiter weiß, wird er vielleicht Sigurdsson anrufen. „Das ist nicht verpönt“, sagt Prokop, „seine Handynummer habe ich, und ich hoffe, dass wir uns noch austauschen.“