Köln/Dortmund (SID) Es klingt arg nach Bernhard Grzimek, aber es ist wahr. Wer Lukas Podolski angemessen erfassen will, sollte ihn in seiner natürlichen Umgebung beobachten. Die Stadt Köln und ihr „Jong mit Hätz“, so hat er es schließlich einst beschrieben: „Das ist wie eine Ehe.“ Und Lukas Podolski, der es in Deutschland zum Fußball-Weltmeister brachte, ist kölscher als eine Stange Kölsch.
Istanbul kann eine sportliche Herberge sein, bald auch Japan, viele Jahre auch die deutsche Fußball-Nationalmannschaft, aus der sich der 31-Jährige Ende März gegen England nach fast 13 Jahren mit seinem 130. Länderspiel und einem Traumtor in Ehren verabschiedet hat.
Doch seine Liebe, seine Heimat, ist der schützende Schatten des Doms. Nirgendwo anders ist er so authentisch, so geerdet und glücklich. Im Musik-Video für „Liebe Deine Stadt“ läuft er durch die Straßen, auf seinem Pullover steht „UltraKölner“. Im Lied heißt es: „Egal, wohin der Wind mich trägt, ich nehm‘ Dich überall mit hin. Und bin ich auch am Ende der Welt – ich komm‘ zurück!“
So wird es sein. Zunächst aber weht Podolski der Wind wirklich ans Ende der Welt, zumindest könnte es sich danach anfühlen. Der Junge, der mit zweieinhalb Jahren aus Polen kam, „ohne einen Pfennig in der Tasche, mit Fußball unterm Arm“, wechselt 29 Jahre später zu Vissel Kobe nach Japan. Er wagt ein neues Abenteuer, 9.230 km von seiner Trutzburg entfernt.
In Kobe begrüßen sie ihn als „Weltklassestürmer“, der Lukas Podolski nicht ist – und nie war. Er war anfangs tatsächlich eine Erscheinung: Nicht nur ein frecher Bengel mit einem Faible für Streiche, sondern auch ein Turbo auf der Außenbahn mit gewaltigem Linksschuss. Er hätte eine Kuh umschießen können. Er war einer der Helden des Sommermärchens 2006 – mehr „Prinz Poldi“ als Herr Podolski.
An ihm ist auch die Entwicklung des deutschen Fußballs seit der dunklen „Rumpel-Scheißdreck-Käse“-Zeit abzulesen: Je mehr diese voranschritt, desto weniger passte Lukas Podolski („Rein das Ding und ab nach Hause!“) hinein. Bei der EM 2008 und der WM 2010 in Südafrika war er ein Leistungsträger, 2014 dann am Ende mehr Gute-Laune-Onkel als tragende Säule. Und zwei Jahre später, bei der EM, wehrte er sich vergeblich dagegen, das Maskottchen zu sein.
Für einen flotten Spruch ist er immer gut, man denke nur an seine entlastende Einlassung für den bös ertappten Joachim Löw: „80 Prozent von euch kraulen sich ja auch mal die Eier.“ Das war poldiesk, so schlingelhaft-treffend. Früher ging sowas auch mal schief, wie 2005, als Hooligans in Slowenien randalierten. „Joah“, sagte er viel zu lapidar, „die Fans freuen sich halt.“
Doch: Niemand würde ihm das vorwerfen. Selbst, als Podolski im April 2009 auf dem Feld (!) seinen Kapitän (!!) Michael Ballack ohrfeigte (!!!), gab es keine Sanktionen. Erstaunlich.
Die Institution Podolski, die weder bei Bayern München noch beim FC Arsenal den großen Sprung schaffte, wird fehlen. Am 6. Juni 2004 stopfte der unbekümmerte junge Mann vom 1. FC Köln das Nationaltrikot in seine etwas zu weit hochgezogene Hose, beim 0:2 gegen Ungarn in Kaiserslautern wurde er für Fredi Bobic erstmals eingewechselt – damals spielten noch Jens Nowotny und Fabian Ernst. Zwischen jenem Abend und dem Spiel gegen England liegen 4.671 Tage.
Einige Hundert Tage wird Lukas Podolski noch Fußball spielen. Was danach kommt, ist klar: „Ich kenne kaum jemanden, der mehr für seine Stadt brennt“, sagte die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker dem SID: „Wenn es ihn nicht gäbe, müsste man ihn glatt für Köln erfinden.“
Podolski selbst sagt: „In Köln will ich sterben.“ Eben: Kölscher als eine Stange Kölsch. Dabei trinkt Lukas Podolski nie.