Melbourne (SID) Mit seinem ersten Sieg seit 18 Monaten ist Sebastian Vettel eine Zentnerlast von den Schultern gefallen. Der Traum von einem heißen WM-Duell mit Mercedes-Star Lewis Hamilton lebt.
Sebastian Vettel verließ am 26. März um 20.47 Uhr den Albert Park von Melbourne, und nur noch ein sanftes Lächeln auf seinem Gesicht deutete darauf hin, dass ihm gerade Außergewöhnliches gelungen war. Ganz in ziviles Schwarz gekleidet, stieg der Ferrari-Pilot in eine weiße Limousine und ließ die Stätte seiner persönlichen Wiedererweckung nach zuvor 553 Tagen ohne Sieg denkbar unglamourös hinter sich.
„Nur eine kleine Feier“ sei angemessen, sagte der Heppenheimer nach seinem Triumph beim Formel-1-Saisonstart in Australien über Triple-Weltmeister Mercedes. Nach Jubelschreien, Streicheleinheiten für seine „Gina“ und dem Comeback des „Vettel-Fingers“ schaltete der 29-Jährige schnell wieder in den Konzentrationsmodus. Die großen Ovationen überließ er nach einem „sehr harten Winter für Ferrari“ anderen.
„Großartiges Ferrari-Team. Italien gewinnt wieder!“, schrieb Italiens Regierungschef Paolo Gentiloni bei Twitter. Mit gewohntem Pathos frohlockte auch die italienische Presse nach dem ersten Sieg der Roten seit Singapur 2015. „Das Unglaubliche ist Realität. Ferrari siegt, Vettel ist der Autor eines sportlichen Wunders“, schrieb der Corriere della Sera und feierte den neuen SF70-H als „tödliche Waffe gegen Ferraris Rivalen“. Für die Gazzetta dello Sport war Vettels keineswegs nur mit Glück erzielter Erfolg vor Mercedes-Star Lewis Hamilton „ein Balsam für die Wunden Ferraris nach anderthalbjähriger Fastenzeit“.
Vettel genoss seine erste WM-Führung als Ferrari-Fahrer gewiss ebenfalls, doch es ist eben auch nur eines von 20 Rennen absolviert. „Wir müssen die Füße auf dem Boden lassen. Es ist ein weiter Weg. Wir haben ein tolles Auto, aber mit den neuen Regularien kann sich schnell etwas tun“, warnte Vettel. Schon beim Großen Preis von China (9. April) könne sich das Bild wieder verändern.
Die Strecke in Shanghai ist viel flüssiger als die in Melbourne, wo Ferrari schon 2016 gut mithielt, um anschließend von Mercedes abgehängt zu werden. Deswegen warnte Vettel noch am Sonntag eindringlich vor den knapp geschlagenen Silberpfeilen: „Mercedes war ein Phänomen in den letzten Jahren. Sie haben einen großartigen Job gemacht. Für mich sind sie weiterhin das Team, das man schlagen muss.“
Der Fahrer, den Vettel schlagen muss, heißt Lewis Hamilton. Es mutet unwirklich an angesichts von sieben Fahrertiteln, die Vettel (vier) und Hamilton (drei) aufeinander vereinen, aber in zehn gemeinsamen Jahren in der Königsklasse haben die beiden Ausnahmefahrer nie gegeneinander um die WM gekämpft. Das soll sich 2017 ändern. Dies wünschen sich sogar beide Piloten, die größte Hochachtung voreinander haben.
„Ich bin dankbar, diesen Kampf mit ihm zu haben. In diesem Jahr sehen wir die Besten gegen die Besten“, sagte Hamilton (32) an die Adresse des drei Jahre jüngeren Vettel – und indirekt auch an die des zurückgetretenen Weltmeisters Nico Rosberg, der mit dem Briten vier Jahre lang eine brisante und nicht immer respektvolle Stallrivalität geführt hatte.
Vettel ist ebenfalls bereit, den Kampf mit dem glamourösen Briten um den vakanten Thron aufzunehmen. Denn bei aller Reserviertheit: Nach seinem 43. Grand-Prix-Sieg versprühte der Heppenheimer auch eine ordentlich Portion Zuversicht: „Im Moment sieht es so aus, als hätten wir annähernd gleich starke Rennwagen. Das Auto schreit: mehr, mehr, mehr!“