Ein Bundesverband und ein eingetragener Verein bezeichneten sich in ihrer Satzung als deutscher Disziplinverband (D) für den Kegelsport „Classic“. Ein weiter eingetragener Verein war als Landesverband Mitglied dieses Bundesverbandes.
In einem vereinsgerichtlichen Verfahren zur Zeit seiner Mitgliedschaft wurde der Landesverband durch den Rechtsausschuss des Klägers verurteilt, an den Bundesverband einen Betrag in Höhe von 8865,00 Euro aufgrund rückständiger Mitgliedsbeiträge für das Jahr 2013 zu zahlen sowie die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Auf der Grundlage dieser Entscheidung erließ der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundesverbandes einen Kostenentscheid gemäß Ziffer 15 der Rechts- und Verfahrensordnung des Bundesverbandes und setzte hierin vom Landesverband zu erstattende Kosten in Höhe von 3620,00 Euro fest. Im Einzelnen wurden eine Verfahrensgebühr und eine Verhandlungsgebühr in Höhe von jeweils 1.800,00 Euro sowie Schreib- und Postgebühren in Höhe von 20,00 Euro ausgewiesen.
Der Kostenentscheid wurde dem Landesverband übermittelt. Eine Zahlung erfolgte trotz mehrerer Mahnungen nicht. Der Landesverband lehnte vielmehr eine Zahlung ab und wies den Anspruch zurück.
In der Satzung des Bundesverbandes heißt es auszugsweise:
7. Rechtsgrundlagen und Zuständigkeiten
Diese Satzung bildet die Grundlage der Tätigkeiten des D und seiner Organe. Sie wird ergänzt durch folgende Ordnungen, sofern diese nicht Bestandteil der Satzung sind: (…)
7.1.5 Rechts- und Verfahrensordnung (…)
- Rechte und Pflichten der Mitglieder (…)
9.3 Im Übrigen sind die Mitglieder verpflichtet (…)
9.3.2 den ordentlichen Rechtsweg nur nach Ausschöpfung des Instanzenzuges innerhalb des D und des DK zu beschreiten. Die Nichteinhaltung von Satz 1 kann als D schädigendes Verhalten gewertet und geahndet werden. (…)
- Organe des D
Die Organe sind (…)
11.5 das Rechtsorgan (Ziffer 17) (…)
- Rechtsorgan
17.1 Die Verbandsgerichtsbarkeit innerhalb des D wird durch ein unabhängiges Rechtsorgan ausgeübt.
17.2 Rechtsorgan ist der Rechtsausschuss des D.
17.3 (…) Die Zusammensetzung regelt sich nach der Rechts- und Verfahrensordnung des D. (…)
17.8 Die Rechts- und Verfahrensordnung ist Bestandteil der Satzung. Die Rechts- und Verfahrensordnung des Klägers lautet auszugsweise: Kosten und Gebühren, Auslagen
15.1 Jede Entscheidung, die eine Instanz abschließt, muss eine Kostenregelung enthalten, es sei denn, sie ist ausdrücklich für gebührenfrei erklärt worden.
15.2 Die Kosten eines Verfahrens trägt in der Regel die bestrafte oder unterliegende Partei nach Maßgabe des Verfahrensausgangs.“
Der Landesverband war Gründungsmitglied des Bundesverbandes und stimmte der Gründungssatzung zu. Im Rahmen der Gründung des Bundesverbandes verständigten sich die Mitglieder auch auf den Inhalt der Rechts- und Verfahrensordnung.
Der Bundesverband war der Auffassung, dass ihm ein Anspruch auf Erstattung der vom Beklagten geforderten Kosten aufgrund der Regelungen in der Satzung und der Rechts- und Verfahrensordnung zustehe. Es handele sich bei ihm nicht um einen herkömmlichen Sportverein, sondern um einen Disziplinarverband, bei dem ein Wechsel im Mitgliederbestand nicht vorgesehen sei. Aufgrund der Tatsache, dass der Landesverband der Gründungssatzung zugestimmt und auch die Aufstellung der Rechts- und Verfahrensordnung mitgetragen hatte, sei dem Landesverband bewusst gewesen, welche Rechte und Pflichten mit einer Mitgliedschaft bei dem Bundesverband verbunden seien.
Die Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klage war aber zulässig. Insbesondere kann ein Verein gegen sein Mitglied – jedenfalls nach Ausschöpfung eines eröffneten vereinsinternen Instanzenzuges – den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten beschreiten. Die maßgebliche Satzung des Bundesverbandes sah nur für Mitglieder einen Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs vor Ausschöpfung des vereinsinternen Instanzenzuges vor, so dass gegen die Zulässigkeit der vorliegenden Klage keine Bedenken bestanden.
Dem Bundesverband stand gegen die Landesverband kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für das durchgeführte vereinsgerichtliche Verfahren zu. Der auf der Rechts- und Verfahrensordnung des Bundesverbandes basierende und den Landesverband belastende Kostenentscheid ist unwirksam. Es bestand für ihn keine hinreichende Grundlage in der Satzung des Bundesverbandes.
Staatlichen Gerichten ist nach gegenwärtiger Rechtsprechung aufgrund der Vereinsautonomie nur eine eingeschränkte rechtliche Nachprüfung vereinsinterner Maßnahmen möglich, doch müssen staatliche Gerichte Vereinsmaßnahmen daraufhin überprüfen, ob eine „Maßnahme eine Stütze im Gesetz oder in der Satzung hat, ob das satzungsmäßig vorgeschriebene Verfahren beachtet ist, sonst keine Gesetzes- oder Satzungsverstöße vorgekommenen sind und ob die Maßnahme nicht grob unbillig oder willkürlich ist“. Von hoher Bedeutung ist insofern, dass die Satzung eines Vereins die wesentlichen Grundentscheidungen des Vereinslebens selbst zu regeln hat. Aus der Vereinssatzung, die nach § 25 BGB die Verfassung eines Vereins bestimmt, müssen sich potentielle, aber auch aktuelle Mitglieder jederzeit über ihre wesentlichen Rechte und Pflichten informieren können.
Die genannten Grundsätze, die insbesondere für Vereinsstrafen entwickelt wurden, müssen generell auch für andere ein Mitglied potentiell belastende Vereinsmaßnahmen von einigem Gewicht gelten, selbst wenn sie nach ihrer Zielsetzung keinen originären Sanktionscharakter aufweisen. Denn im Ergebnis ist es für das Vereinsmitglied nicht entscheidend, ob die Belastung gerade vorrangiger Zweck einer Vereinsmaßnahme ist, oder ob sich die Belastung als bloße Reflexwirkung zeigt.
Gemessen an diesen Maßstäben haben der Kostenentscheid und auch die zugrunde liegende Bestimmung in der Rechts- und Verfahrensordnung, auf die der Bundesverband seinen Anspruch stützen will, keine hinreichende Grundlage in der Vereinssatzung des Bundesverbandes.
Die Rechts- und Verfahrensordnung des Bundesverbandes kann nicht als Bestandteil der Satzung des Bundesverbandes angesehen werden. Die sich insofern offenkundig widersprechenden Regelungen in der Satzung des Bundesverbandes sind zu seinen Lasten dahingehend auszulegen, dass es sich bei der Rechts- und Verfahrensordnung um eine satzungsunabhängige Nebenordnung handelt.
Zwar können vereinsinterne Detailregelungen in Nebenordnungen ausgelagert werden. Sinn und Zweck ist eine Vermeidung einer Überfrachtung der Satzung, mehr Flexibilität bei kleineren Änderungen und eine Vermeidung häufiger Neueintragungen von Satzungsänderungen in das Vereinsregister. Auch die Rechts- und Verfahrensordnung des Bundesverbandes ist prinzipiell eine zulässige Nebenordnung in diesem Sinne. Die Möglichkeit der Auslagerung von Detailregelungen in Nebenordnungen findet ihre Grenzen jedoch in dem genannten Grundsatz, dass die das Vereinsleben bestimmenden Grundentscheidungen des Vereins in der Satzung selbst verankert sein müssen.
Die in einem Vereinsgerichtsverfahren unterlegenes Mitglied zur Zahlung verpflichtende Kostenentscheidung selbst – sowie die allgemeine Regelung, auf der sie basiert – können im obigen Sinne als belastende Maßnahmen von einigem Gewicht – und in der Folge als das Vereinsleben bestimmende Grundentscheidungen – einzustufen sein, wenn die konkret festgesetzten oder festsetzbaren Kosten im Verhältnis zu einem vergleichbaren Verfahren vor staatlichen Gerichten deutlich höher ausfallen.
Der von dem Bundesverband aufgrund seiner Rechts- und Verfahrensordnung in der Hauptsache geforderte Betrag in Höhe von 3.620,00 € bezieht sich mangels anderer durchgreifender Anhaltspunkte nur auf die Kosten für das Tätigwerden des Vereinsgerichts selbst. Zieht man hier die Parallele zum staatlichen Gerichtsverfahren geht es folglich nur um die „Gerichtskosten“, und zwar unter Ausschluss eventueller Rechtsanwaltskosten für die Prozessvertretung. Nach den maßgeblichen Regelungen des GKG würde für ein erstinstanzliches staatliches Gerichtsverfahren – bei einem Streitwert von 8.865,00 € und einem Ansatz von 3,0 Gerichtsgebühren – ein Betrag in Höhe von 666,00 € anfallen, also weniger als ein Fünftel des geltend gemachten Betrages.
Eine vereinsinterne Verfahrenskostenregelung, die – im Verhältnis zum staatlichen Gerichtsverfahren – deutlich erhöhte Kostenfestsetzungen ermöglicht, kann nicht alleine in einer bloßen Nebenordnung gründen. Es handelt sich dann gerade auch aufgrund ihres atypischen Charakters um eine wesentliche und das Vereinsleben prägende Grundentscheidung.
Ohne Erfolg beruft sich der Bundesverband darauf, dass der Landesverband der Satzung in der gegenwärtigen Form selbst zugestimmt hat. Die Frage, inwieweit Regelungen über Kosten für vereinsgerichtliche Verfahren in Vereinssatzungen verankert sein müssen, ist keine Frage, die vereinsspezifisch beantwortet werden kann. Es handelt sich angesichts der hohen Bedeutung des Vereinswesens um eine grundsätzliche und deshalb einheitlich zu beantwortende Rechtsfrage.
Amtsgericht Heidelberg vom 21.01.2016 – 29 C 230/15 –