Luxemburg (SID) Jubel von Timo Boll und Co. über den zurückeroberten Titel und Tränen im Damen-Team nach dem Sturz vom Thron haben bei der Mannschafts-EM Mitte September in Luxemburg für gemischte Gefühle im Lager des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) gesorgt. Im zweiten Anlauf kürten sich die DTTB-Herren durch ein souveränes 3:0 im Finale gegen Portugal auch nominell wieder zur Nummer eins auf dem Kontinent. Der insgesamt siebte Titel für die Olympia-Dritten war das herbeigesehntes Erfolgserlebnis, nachdem zuvor die EM-Erfolgserie der Damen nach drei Titelgewinnen und dem deutschen Rekord von 22 Siegen in Folge bei EM-Turnieren seit 2011 im Endspiel etwas unerwartet durch ein 2:3 gegen Rumänien gerissen war.
Deutschland war zwar als einzige Nation im Großherzogtum mit beiden Teams auf den Siegerpodesten vertreten. Allerdings muss der DTTB nach der nicht komplett erfüllten „Mission Doppel-Gold“ weiter auf den zweiten Doppel-Erfolg seiner Mannschaften bei einem EM-Turnier nach 2013 in Schwechat warten.
Derlei Statistiken waren Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf nach dem Erfolg gegen Portugal jedoch einerlei: „Diesen Titel wollten wir unbedingt zurückhaben. Darauf waren wir alle heiß“, sagte der frühere Doppel-Weltmeister mit sichtlichem Stolz.
Nachdem seine Mannschaft vor drei Jahren in Portugal von den Gastgebern nach zuvor sechs EM-Titeln in Serie entthront worden war und sich im Finale 2015 auch Österreich geschlagen geben musste, empfand Roßkopf die Revanche durch Punkte von EM-Rekordchampion Timo Boll (Düsseldorf) sowie Weltranglistenvierten Dimitrij Ovtcharov (Hameln-Orenburg) und Patrick Franziska (Saarbrücken) als besonders süß: „Es tut schon gut, dass wir ausgerechnet gegen Portugal die Verhältnisse in Europa wieder zurechtgerückt haben.“
Für Boll, der tags zuvor beim 3:2-Sieg im Halbfinale gegen Slowenien mit zwei Punkten zuverlässig für den von einer Magenverstimmung geschwächten Spitzenspieler Ovtcharov zum Matchwinner avanciert war, hatte der Erfolg zusätzliche Bedeutung: Der Weltranglistensechste baute seinen EM-Titelrekord auf nunmehr 17 Goldmedaillen im Einzel, Doppel und mit der Mannschaft aus. „Das ist schon eine beachtliche Zahl. Aber jeder, der mich kennt, weiß, dass mir die Titel mit der Mannschaft noch mehr wert sind als der Rekord“, sagte die frühere Nummer eins der Welt.
Viel bedeutet hätte auch den DTTB-Damen der vierte Titelgewinn in Serie. Doch ausgerechnet im Endspiel gegen Rumänien musste die im EM-Verlauf so zuverlässige Weltranglistenneunte Han Ying (Tarnobrzeg/Polen) ihre ersten beiden Niederlagen hinnehmen, so dass im zweiten Vier-Stunden-Krimi binnen 24 Stunden nach dem 3:2-Thriller im Halbfinale gegen die Niederlande auch zwei Siege der früheren EM-Zweiten Shan Xiaona (Berlin) nicht mehr für ein abermaliges Happy End reichten.
„Es war natürlich ein 50:50-Spiel, für das wir uns aber gut gerüstet gefühlt haben. Leider hat es nicht ganz wieder zu Gold gereicht. Aber wir haben uns teuer verkauft und können auch mit Silber zufrieden sein. Han ist kein Vorwurf zu machen. Sie hat alles versucht“, sagte Bundestrainerin Jie Schöpp zur vergebenen Chance auf den insgesamt neunten Titel.
Der geplatzte Titeltraum bedeutete für die ersatzgeschwächten Olympia- und Weltranglistenzweiten – besonders die Mixed-WM-Dritte Petrissa Solja fehlte – auch das Ende ihrer Jagd auf den Titelrekord der Niederlande: Im Falle einer erfolgreichen Titelverteidigung hätte die DTTB-Mannschaft die in der 59-jährigen EM-Historie einmalige Oranje-Bestmarke von vier EM-Titeln in Folge (2008 bis 2011) eingestellt.