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November 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

Melbourne (SID) Erschöpft und traurig, aber nicht ohne Stolz verließ Angelique Kerber nach einem großen Kampf Melbourne. Trotz der verpassten Chancen im Halbfinale blickt sie hoffnungsvoll in die Zukunft.

Angelique Kerber waren die Strapazen ihres aufopferungsvollen Kampfes deutlich anzusehen. Ihre Augen spiegelten die Erschöpfung und Enttäuschung wider, die schmalen Lippen presste sie fest aufeinander. Für einen Moment erinnerte sie an die blasse, verzweifelte und traurige Gestalt aus dem vergangenen Jahr. Dann fing Kerber an zu reden.

Sie sprach von „Stolz“, von einem „positiven Gefühl“, das sie mit nach Hause nehme. Und trotz der Anstrengungen dieses wahnwitzigen Halbfinals von Melbourne blitzte noch einmal die große Kämpferin auf, die Kerber ohne Zweifel an diesem denkwürdigen Donnerstag Down Under abgegeben hatte. „Ich habe mein Herz auf dem Platz gelassen“, sagte sie: „Das zeichnet mich aus, das hat mich auch im Jahr 2016 ausgezeichnet.“

Damals hatte Kerber die Australian Open gewonnen, diesmal ging ihr kurz vor dem Ziel gegen die Weltranglistenerste Simona Halep die Kraft aus. In einem Duell, das keine Verliererin verdient hatte, unterlag Kerber 3:6, 6:4, 7:9. Es war mehr als nur Trotz, als sie sagte: „Wenn mir jemand vor vier, fünf Wochen gesagt hätte, dass ich so einen Saisonstart haben werde, ich hätte es ihm wahrscheinlich nicht geglaubt.“

Ihre zwei Chancen zum Finaleinzug bei 6:5 und 40:15 im dritten Satz hatte Kerber da schon längst abgehakt. „Ich habe das Match nicht verloren, sie hat es gewonnen. Ich habe alles versucht, aber bei den Matchbällen konnte ich nichts machen“, sagte Kerber. 2:20 Stunden hatte sie zuvor nicht nur gegen Halep, sondern auch gegen die bleierne Schwere in ihren Beinen gekämpft, die sich nach 14 Siegen in 14 Matches in diesem Jahr breit gemacht hatte.

„Schon beim Aufwärmen habe ich mich ein bisschen müde gefühlt“, berichtete Kerber, die mit sorgenvollem Blick die Rod Laver Arena betreten hatte. Ein katastrophaler Start, bei dem 20 von 25 Punkten an Halep gingen, ließen den Weg ins Finale noch weiter werden. Doch anders als oft im vergangenen Jahr, in dem Kerber von Platz eins auf 21 in der Weltrangliste abgestürzt war, gab sie nicht auf und kämpfte sich tatsächlich wieder zurück.

Sie habe sich auch gefragt: „Wo nehme ich das eigentlich her? Ich hole alles aus mir raus, auch wenn gar nichts mehr drin ist. Keine Ahnung, wie ich das mache.“ Doch auch Halep ließ nie locker, die Rumänin, die schon in der dritten Runde im epischen Match gegen Lauren Davis aus den USA Matchbälle abgewehrt hatte, wollte das Finale gegen die Dänin Caroline Wozniacki unbedingt. Für beide ging es am Samstag um ihren ersten Grand-Slam-Titel und die Führung in der Weltrangliste. Die Siegerin am Ende hieß Caroline Wozniacki.

Kerber trat dagegen die Rückreise mit der Erkenntnis an, sich mit 30 Jahren noch einmal neu erfunden und die Wende geschafft zu haben. Sie ist zurück in den Top 10, zurück im Kreis der Großen. Die Erschöpfung wird weichen, die Enttäuschung ebenso. Es bleibt der Stolz und das positive Gefühl, wieder um die wichtigen Titel mitspielen zu können.