Berlin (SID) Fast alle Plätze im WM-Kader von Joachim Löw scheinen vergeben. Um die wenigen vakanten Stellen gibt es heiße Duelle.
Kevin Trapp behielt sein Ziel fest im Blick. Er fuhr sich mit der linken Hand durch die nassen Haare, hastete los, und tatsächlich: Er schaffte es im Berliner Olympiastadion zur erlösenden Stahltür, ohne nochmals sprechen zu müssen. Seinem Ziel einer WM-Teilnahme hingegen ist der Nationaltorhüter in einem „komischen Spiel“ nicht näher gekommen – sein Platz ist einer derjenigen, die auch nach dem 0:1 (0:1) gegen Brasilien im letzten Härtetest für Russland noch heiß umkämpft sind.
„Es wäre ein bisschen vermessen, wenn wir sagen würden, wir hätten zwei gleichstarke Mannschaften“, sagte Joachim Löw nach der ersten Niederlage seit fast zwei Jahren etwas ernüchtert. Nun hat der Bundestrainer auf einigen Positionen spannende Duelle oder Mehrkämpfe zu bewerten – es sind Tage der Entscheidung.
Gesucht werden… zwei Torhüter. Trapp wirkte schwerst verunsichert, er ließ den Ball immer wieder ins Aus segeln statt zu einem Mitspieler. Sein Abend drohte derart schwarz zu werden, dass sich Löw entschied, auf das geplante Wechselspiel mit dem Konkurrenten Bernd Leno zu verzichten: Es hätte wie eine Strafe gewirkt, Trapp rauszunehmen.
„Klar hat er mit dem Fuß ein paar Bälle zum Gegner gespielt“, sagte Löw nachher beschwichtigend, „aber man hat ihn da hinten auch mit dem Ball alleine gelassen.“ Trapp und Leno werden nur zur WM (14. Juni bis 15. Juli) fahren, falls Kapitän Manuel Neuer nicht rechtzeitig fit wird. Tendenz: dann dennoch Trapp.
Gesucht wird… ein Linksaußen. Leroy Sane, der mit Manchester City die Premier League verzückt, wirkt in der Nationalmannschaft merkwürdig gehemmt. Löw urteilte einigermaßen hart: „Das ist ein junger Spieler, der vielleicht nicht ganz so schnell in die Höhe schießt, wie das manche denken.“ Als Toni Kroos kritisierte, viele Spieler seien „mit dem Ball“ enttäuschend gewesen, musste Sane das auch auf sich beziehen. Druck kommt unter anderem von Marco Reus, auf der Außenbahn können auch Julian Draxler oder Julian Brandt spielen. Tendenz: Sane, Reus und Draxler fahren nach Russland. Brandt nicht.
Gesucht wird… ein Brecher. „Wir können gerne über das Spiel reden“, sagte Mario Gomez, als er sich mit Sandro Wagner vergleichen sollte. Es sei nun März, er habe sein „Bestmögliches versucht. Wir werden sehen, wozu es reicht.“ Gegen Brasilien war er motiviert und bemüht, doch nachdem Wagner eingewechselt wurde, war dessen größere Wucht zu spüren. Tendenz: Wagner, der nicht redete, statt Gomez. Timo Werner ist gesetzt.
Gesucht wird… ein vierter Innenverteidiger. Matthias Ginter saß am Montag auf der Pressekonferenz – und spielte am Dienstag keine Minute. Das war ungewöhnlich. Niklas Süle wurde eingewechselt und räumte in höchster Not fulminant den heranstürmenden Douglas Costa ab. Löw applaudierte. Der Bundestrainer will „jede Position doppelt besetzt“ sehen. Tendenz: Süle. Für Ginter könnte allerdings sprechen, dass er auch Rechtsverteidiger spielen kann.
Gesucht wird… ein Joker. Gemeint ist kein Stürmer, der von der Bank kommt, sondern ein Spieler, der in einem besonderen Moment Besonderes zu leisten vermag. Mario Götze, von Löw zuletzt öffentlich abgewatscht, könnte so einer sein. Niemand sollte die Treue des Bundestrainers zu verdienten Spielern unterschätzen. Tendenz: Götze ist zumindest noch dabei, wenn Löw am 15. Mai den vorläufigen WM-Kader benennt.
Ansonsten gilt Oliver Bierhoffs Aussage: „26 Spieler waren jetzt nominiert, da kommen noch drei, vier dazu. Daraus wird sich der Kader ergeben“, sagte der Nationalmannschaftsdirektor. Es klang, als könnten Andre Schürrle, Benedikt Höwedes oder Shkodran Mustafi ihren Sommerurlaub planen.