Kitzbühel/München (SID) Ausgerechnet in Kitzbühel bestätigte Josef Ferstl, dass er ein Siegläufer ist. Er befreite sich damit zugleich von jener Last, die ihm auch die Erfolge seines Vaters auferlegt haben.
Der Vater schien allgegenwärtig. Josef „Sepp“ Ferstl war selbstverständlich dabei in Kitzbühel, er sah zu, wie Josef „Pepi“ Ferstl im „Wohnzimmer“ der Familie zu einem Sieg für die Ewigkeit fuhr, er stand anschließend vor vielen Mikrofonen, bisweilen gemeinsam mit seinem Sohn, und am Ende überreichte er ihm bei der Siegerehrung sogar die goldene Gams. Und doch war es dieser Sonntag, an dem der junge Ferstl den Schatten des alten Ferstl endlich loswurde.
„Man wird immer verglichen mit dem Papa“, sagte Josef Ferstl nach seinem Sieg: Es war sein zweiter im Weltcup, aber es war eben Kitzbühel, es war die Streif, auf der 1978 und 1979 Sepp Ferstl gesiegt hatte. In der Abfahrt, die Disziplin Super-G gab es damals noch nicht. „Es war ein Traum von Kind auf, da mal zu gewinnen“, gestand der Sohn, er ist im Alter von zwölf Jahren sogar ins Internat gegangen, „weil man so einen Traum leben will.“
Die Erfolge des Vaters waren stets präsent. „Ich bin jedes Mal daheim an den zwei goldenen Gämsen vorbei vom Papa“, erzählte er. Und falls Josef Ferstl in der Tat vergessen haben sollte, wer oder was sein Leben als Skirennläufer prägte: Vergangenen Donnerstag wies ihn ausgerechnet Felix Neureuther darauf hin. „Vor 40 Jahren haben hier unsere Väter gewonnen“, sagte er bei einem gemeinsamen Termin. Christian Neureuther siegte 1979 im Slalom, Felix 2010 – es war sein erster Weltcupsieg.
Neureuther war lange der Ski fahrende Sohn von „Gold-Rosi“ Mittermaier und Christian Neureuther. Es war ihm eine Bürde, auch wenn die Eltern sich stets zurückhielten. Josef Ferstl erging es ähnlich, seit er 2012 erstmals in Kitzbühel an den Start ging – und 47. wurde. Wobei auch im Falle der Ferstls der Sohn betont, dass der Vater „mich immer unterstützt hat, er wollte immer nur das Beste“, und vor allem: „Er hat mich nie zu irgendetwas gezwungen.“
Wobei: Als Josef Ferstl das erste Mal an der Streif war, „da hat er“, also der Vater, „mich runtergezwungen“. Da war „Pepi“ sechs Jahre alt – und die furchterregendste Strecke der Welt schon für das Rennen präpariert. Um Mausefalle und Steilhang kam der Kleine noch herum, vor der Traverse am Hausberg aber gab es kein Entrinnen. „Irgendwann bin ich dann unten am Netz im Tiefschnee zum Stehen gekommen, ich habe geplärrt, ich habe geflennt, ich habe geweint. Er hat gelacht.“
Die Ferstls kamen wieder, jedes Jahr, und 24 Jahre nach der Erstbefahrung hat auch der Sohn jubeln dürfen im „Wohnzimmer“, wie er die Streif nennt. „Ausgerechnet der Ferstl, der immer ein bisschen unter der Bürde seines Vaters gelitten hat“, entfuhr es Alpinchef Wolfgang Maier. Seinem Vater, „der bestimmt wieder was auszusetzen hat“, hat Ferstl Junior aber mittlerweile klar gemacht, dass er gute Trainer hat, dass „wir nicht immer telefonieren müssen, es ist auch mal gut.“
Spätestens seit Sonntag muss sich Josef „Pepi“ Ferstl von Josef „Sepp“ Ferstl ja auch nichts mehr sagen lassen.