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Dezember 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

Frankfurt/Main (SID) Fritz Keller ist seit rund drei Monaten Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Seine 100-Tage-Bilanz ist durchwachsen.

Schon zu Jahresbeginn drückt Fritz Keller auf das Gaspedal. Nachdem 2019 im Zeichen des „Auf- und Umbruchs“ gestanden habe, gehe es „gleich temporeich weiter“, schrieb der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in seiner Neujahrsbotschaft – und nahm dabei die EM ins Visier. Als Keller vor 100 Tagen in sein Amt kam, ging es dem Verband eher um Beruhigung als um Beschleunigung. Und kurz vor seinem 120. Geburtstag am 28. Januar sucht der krisengeplagte DFB immer noch nach den richtigen Wegen in die Zukunft.

Wie sehr der größte Einzelsportverband der Welt mit den Auswirkungen der zurückliegenden Affären zu kämpfen hat, wurde erst vor wenigen Wochen wieder sichtbar. Mitte Dezember musste der DFB einräumen, dass er weiterhin keinen direkten Einfluss auf die wegweisenden Entscheidungen im Weltfußball haben wird. Der Verband bleibt beim Council des Weltverbands FIFA außen vor, da Vizepräsident Rainer Koch entgegen den vorherigen Planungen im März auf eine Kandidatur für einen Platz im wichtigsten internationalen Fußball-Gremium verzichtet.

Nach dem Wunsch Kellers ist die Rückkehr des Verbands ins FIFA-Council zwar nur verschoben, dennoch verliert der DFB wertvolle Zeit. Schließlich wollte der Verband das Porzellan, das von Ex-Präsident Reinhard Grindel rund um dessen Rücktritt im Frühjahr zerschlagen worden war, so schnell wie möglich wieder kitten.

Reparaturarbeiten stehen für den DFB, der Koch im Vorfeld der Heim-EM 2024 wenigstens in das Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union (UEFA) bringen möchte, 2020 in vielen Bereichen an. Vor allem die Nationalmannschaft ist gefordert. Bei der EM soll sie Wiedergutmachung für das Vorrunden-Aus bei der WM 2018 betreiben. Ob das in der Gruppe mit Weltmeister Frankreich und Titelverteidiger Portugal gelingt, ist offen – schließlich macht auch Keller keinen Hehl daraus, dass die Weltspitze bei den Männern wie bei den Frauen „derzeit ein Stück enteilt ist“.

Offen ist auch, ob der DFB unter Keller seine anderen Probleme in den Griff bekommt. Dazu zählt die Gewalt im Amateurbereich, bei der sich der Verband Hilfe vom Staat erhofft. Straftaten sollen zur Anzeige gebracht und von den Behörden strafrechtlich verfolgt werden. Wenn es nach Keller geht, muss der Verband solche Vorfälle zukünftig weitgehend ausmerzen. Ganz oben auf der Agenda das 13. DFB-Präsidenten steht schließlich „die Wertevermittlung“. Kellers Ziel ist es, „den DFB auch vom Image her wieder dahin zu bringen, wo er mal war“.

Zu diesem Zweck will sich der Verband seiner gesellschaftlichen Verantwortung mehr als bisher stellen und demokratische Werte verteidigen. Deshalb möchte Keller mit „internen und externen Interessengruppen“ ein Leitbild entwickeln. Gleichberechtigung, Integration, Klimaschutz – bei all diesen Themen ist der DFB mit seinen rund sieben Millionen Mitgliedern gefragt.

Das weiß auch Keller. Der Verband werde den Schwierigkeiten „nicht ausweichen“, gab das Patenkind von Fritz Walter zu Protokoll: „Der Fußball kann gesellschaftliche Probleme nicht alleine lösen, aber wir haben die Verpflichtung, jegliche Form von Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung schon im Keim zu bekämpfen.“

Noch ist aber nicht klar, welche Mittel der DFB einsetzen kann. Erst die Ergebnisse der Generalinventur werden das zeigen. Sicher ist allerdings, dass der Verband sparen muss – andernfalls droht mittelfristig ein Defizit. Für den Bau der 150 Millionen Euro teuren Zentrale plus Akademie nimmt der DFB einen Kredit auf, die Hälfte der Rücklagen (107 Millionen Euro) werden aufgebraucht. Der Finanzplan des Verbands, der 2020 die deutliche Trennung zwischen den wirtschaftlichen und den gemeinnützigen Aufgaben umsetzen will, sieht bis 2022 lediglich ausgeglichene Haushalte in Höhe von rund 400 Millionen Euro pro Jahr vor – ohne Gewinn.