Ein Amtsgericht in Niedersachsen hatte einen Sportschiffer wegen vorsätzlicher Trunkenheit im „Schiffsverkehr“ zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt. Gegen dieses Urteil richtete sich die Revision des Verurteilten an das örtlich zuständige Oberlandesgericht, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügte.
Die Generalstaatsanwaltschaft hatte daraufhin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Neustadt a. Rbge. zurückzuweisen. Das Oberlandesgericht hatte sodann mit Beschluss darauf hingewiesen, dass nicht der Strafrichter vor Ort, sondern das Schifffahrtsgericht zur Entscheidung über den Anklagevorwurf sachlich zuständig gewesen sein dürfte, und zwar in diesem Fall das Schifffahrtsgericht Bremen.
Die Revision hatte Erfolg. Das angefochtene Urteil war aufzuheben, weil sich das Amtsgericht (Strafrichter) zu Unrecht als sachlich zuständig erachtet hatte. Die sachliche Zuständigkeit ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Fehlt sie, darf eine Sachentscheidung nicht ergehen.
Das Amtsgericht hatte als sachlich unzuständiges Gericht entschieden, weil nicht der Strafrichter, sondern das Schifffahrtsgericht für die Entscheidung über den Anklagevorwurf zuständig war, weil es sich bei der zur Anklage gebrachten Strafsache um eine Binnenschifffahrtssache handelte, für die allein die Schifffahrtsgerichte zuständig sind.
a) Das Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrtssachen (BinSchGerG) weist die erstinstanzliche Zuständigkeit in Binnenschifffahrtssachen den Amtsgerichten zu (§ 1 BinSchGerG). Diese sind Schifffahrtsgerichte im Sinne des BinSchGerG und führen bei der Verhandlung und Entscheidung von Binnenschifffahrtssachen die Bezeichnung „Schifffahrtsgericht“.
b) Binnenschifffahrtssachen im Sinne des Gesetzes sind auch Strafsachen wegen Taten, die auf oder an Binnengewässern unter Verletzung von schifffahrtspolizeilichen Vorschriften begangen werden.
Das BinSchGerG definiert den Begriff des „Binnengewässers“ nicht. Nach allgemeinem Sprachgebrauch fallen darunter alle fließenden oder stehenden Gewässer, die zum Festland gehören und davon umschlossen werden. Dies gilt auch für das Tatortgewässer, das Steinhuder Meer.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Angeklagte das Steinhuder Meer mit einem motorisierten Segelboot und stand hierbei unter Alkoholeinwirkung bei einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,16 g ‰.
d) Der Schwerpunkt der Tat lag also in der Verletzung schifffahrtspolizeilicher Vorschriften.
2. Es lag folglich eine Binnenschifffahrtssache vor, die in erster Instanz vom Schifffahrtsgericht zu entscheiden gewesen wäre. Da dies nicht geschehen ist, war das Verfahren an das zuständige Schifffahrtsgericht zu erneuter Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
a) Zuständiges Schifffahrtsgericht in dieser Sache war das Amtsgericht Bremen.
Die Freie Hansestadt Bremen, die Freie und Hansestadt Hamburg sowie die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben in einem Staatsvertrag über die gerichtliche Zuständigkeit in Binnenschifffahrtssachen vereinbart, dass die Verhandlung und Entscheidung von Binnenschifffahrtssachen im ersten Rechtszug den Amtsgerichten Bremen und Hamburg übertragen wird, wobei die örtliche Zuständigkeit durch die Zuweisung einzelner Gewässer bzw. Teile solcher Gewässer im Einzelnen näher festgelegt wird.
bb) Das Amtsgericht Bremen ist nach dieser Zuständigkeitszuweisung u. a. für die Leine zuständig. Deshalb erstreckt sich seine Zuständigkeit auch auf das Steinhuder Meer. Zwar gibt es zwischen beiden Gewässern keine Verbindung in dem Sinne, dass es sich bei der Leine um einen direkten Zu- bzw. Abfluss des Steinhuder Meers handelte, das Merkmal der „in ihrem Bereich liegenden Seen“ ist aber dahingehend auszulegen, dass hiermit die räumliche Nähe des jeweiligen Sees zu den im Einzelnen genannten Gewässern gemeint ist. Danach handelt es sich beim Steinhuder Meer um einen im Bereich der Leine liegenden See, da die Leine von den in Artikel 1 Abs. 1 Nr. 1 des Staatsvertrages genannten Flüssen dem Steinhuder Meer am nächsten liegt.
b) Eine Zurückverweisung hatte deshalb an das Amtsgericht (Schiffahrtsgericht) Bremen zu erfolgen.
Oberlandesgericht Celle vom 16.03.2016 – 2 Ss 199/15