Köln/Tokio (pps) – Wenn Thomas Bach an Tokio denkt, gerät er ins Schwärmen. Noch nie habe er „eine Olympia-Stadt gesehen, die zu diesem Zeitpunkt so gut vorbereitet war“ wie die Hauptstadt Japans, sagt der IOC-Präsident. Weniger als sechs Monate vor der Eröffnungsfeier der Sommerspiele am 24. Juli hat die Millionenmetropole ihre Hausaufgaben erledigt, Baustellen gibt es fast nur noch im übertragenen Sinn.
Die Vorfreude auf die zweiten Olympischen Spiele in Tokio nach 1964 wird jedoch überschattet: Die explodierenden Kosten sorgen für Unmut, der russische Dopingskandal dürfte kaum bis zu den Wettbewerben aufgearbeitet sein, die Meinungsverschiedenheiten zwischen aufmüpfigen Athleten und Funktionären häufen sich – und die Hitze bereitet die größten Sorgen. Eine Bestandsaufnahme auf der Zielgeraden Richtung Olympia:
DIE KOSTENEXPLOSION
Auch Tokio wird Spiele des Gigantismus erleben. Die Kosten stiegen laut Veranstalter auf 11,3 Milliarden Euro, bei der Vergabe 2013 waren die Japaner noch von sechs Milliarden Euro ausgegangen.
„Die Kostenexplosion ist ein Problem für die Olympische Familie, aber kein Problem für Japan“, meint Wirtschafts-Professor und Ruder-Olympiasieger Wolfgang Maennig. Das Land kämpfe seit Jahrzehnten gegen Rezession und Deflation und suche permanent Möglichkeiten, staatliche Investitionsgelder auszugeben. „Bei aller positiven Erwartung für Tokio 2020: Eine Job-Maschine wird Olympia auch dort nicht“, sagt Maennig.
DER DOPINGSKANDAL
Die Entscheidung über die Teilnahme einer russischen Mannschaft in Tokio liegt beim CAS. Der Internationale Sportgerichtshof mit Sitz in Lausanne, so wünscht es sich nicht nur Thomas Bach, soll das Urteil „schnell“ fällen und „keinerlei Spielraum für Interpretationen lassen“. Vor Mai dürfte das allerdings nicht passieren und so droht den Spielen von Tokio das gleiche Schicksal der Spiele von Rio: 2016 zog sich die Hängepartie bis nach der Eröffnungsfeier.
Am 9. Dezember hatte die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA Russland wegen manipulierter Daten aus dem Moskauer Kontrolllabor für vier Jahre gesperrt. Sollte der CAS die Sperre bestätigen, darf das Riesenreich als Nation nicht an den Olympischen Spielen in Tokio teilnehmen, russische Sportler können allerdings als „neutrale Athleten“ starten, wenn sie nachgewiesen haben, dass sie nicht Teil des Dopingsystems waren.
DIE HITZE
Athleten und Besucher müssen sich während der Spiele in Tokio auf extreme Hitze von bis zu 40 Grad und hohe Luftfeuchtigkeit gefasst machen. Führende Mediziner des Landes warnen vor Gefahren und verweisen darauf, dass die ersten Spiele 1964 extra deshalb in den Herbst verlegt worden waren.
Nach den verheerenden TV-Bildern von der Leichtathletik-WM 2019 in Katar mit taumelnden Athleten reagierte das IOC und verlegte die Geher- und Marathonwettbewerbe 800 Kilometer nach Norden ins kühlere Sapporo. Zudem wurden Startzeiten etwa im Triathlon und im Vielseitigkeitsreiten vorverlegt.
DIE ATHLETEN
Die Top-Athleten begehren weltweit auf, wollen finanziell stärker an den Milliarden-Umsätzen des IOC beteiligt werden. Hier gilt vor allem der Verein Athleten Deutschland als Vorreiter, der sich als hartnäckige Opposition zu den IOC-Oberen positioniert hat.
Beim Werberecht hat der Verein Lockerungen schon durchgesetzt, auch die neuen Richtlinien des IOC zur Regel 50 der Olympischen Charta bezüglich des Verbots von politischen Protesten während der Spiele stieß auf Kritik. Der Verweis des IOC auf die Wahrung der politischen Neutralität des Sports reiche nicht aus, „um ein Verbot von politischen Protesten zu rechtfertigen“, argumentierte der Verein Athleten Deutschland.