Berlin (SID) Der deutsche Hockey-Abwehrchef Martin Häner fiebert seinen dritten Olympischen Spielen entgegen. Für eine Medaille in Tokio zahlt der junge Familienvater einen hohen Preis.
Das Programm hat es in sich. 70 Stunden ist Workaholic Martin Häner pro Woche für seine Jobs im Einsatz. Der Abwehrchef des deutschen Hockeyteams hastet täglich zwischen Operationssaal und Trainingsplatz hin und her. Für seinen großen Traum von einer dritten Olympia-Medaille zahlt der junge Familienvater einen hohen Preis.
„Man geht morgens um sieben Uhr aus dem Haus und kommt oft erst abends um 23 Uhr nach Hause. Da sieht man von Frau und Kind relativ wenig“, sagte der 31-Jährige im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (SID). Eine solche Doppelbelastung halte man nicht ewig durch, doch „einmal will ich Olympia noch mitnehmen“, sagt Häner.
Nach Gold in London 2012 und Bronze in Rio 2016 greift der Eckenspezialist in Japan nach seinem dritten Edelmetall. Die Weltspitze liege dicht beisammen, am Ende sei für das erfolgsverwöhnte deutsche Team alles möglich. „Das Viertelfinale ist für uns Pflicht. Jede Nation, die dort hinkommt, kann am Ende auch Olympiasieger werden“, sagt Häner.
Ob bei Gold wieder so legendär gefeiert wird wie 2012 nach London, als auf der MS Deutschland ein Schaden in sechsstelliger Höhe entstand, müsse man abwarten: „Mit dem Schiff werden wir aus Tokio sicherlich nicht zurückkommen“, sagt der Top-Spieler des Berliner HC, „aber eine vernünftige Feier wird es in jedem Fall geben“.
Auch für die deutsche Athletenförderung ist Häner ein interessanter Fall. Das Beispiel zeigt, dass die oft als vorbildlich gepriesene duale Karriere im deutschen Sport funktioniert, wenn alle Seiten mitspielen. Sein Chef an der Berliner Martin-Luther-Klinik, Wolf Petersen, ermöglicht seinem jungen Assistenzarzt die nötigen Freiräume. Wenn er für den Hockeysport unterwegs ist, übernimmt die Stiftung Deutsche Sporthilfe sein Gehalt, damit im Krankenhaus auch keiner meckert, dass jemand ohne Leistung bezahlt wird.
Kniespezialist Petersen überrascht es nicht, dass Häner seinen anstrengenden Alltag so gut meistert. „Man merkt schon, dass Leistungssportler auch im Beruf einen hohen Ehrgeiz haben“, sagt der Chef der Unfall- und Orthopädie-Klinik und lobt seinen Assistenzarzt: „Martin ist mental unheimlich stark, dieser Doppelrolle gerecht zu werden.“
Häner glaubt auch, dass er als Arzt von seinem Leben als Leistungssportler profitiert. „Man hat ein gutes Körperverständnis als Leistungssportler und kennt oft Verletzungen aus eigenen Erfahrungen“, sagt Dr. Hockey. Für die Arbeit auf der Station „hilft es, wenn man selber aus dem Leistungssport kommt und die Patienten besser verstehen kann“, meint Häner.
Häner ist heilfroh, dass er schon während des Sports in seinem Job arbeiten kann. „Ich könnte mir nicht vorstellen, mit Mitte 30 meine Karriere als Sportler zu beenden und dann keine Ausbildung zu haben“, sagt der Workaholic, der wie sein Chef gerne operiert und Knie-Spezialist werden will. Seine Doktorarbeit schrieb er über Kreuzbänder, aber als Assistenzarzt muss er alles machen: Knie, Hüfte, Fuß und Wirbelsäule.
Noch nicht vorgekommen ist es bislang, dass Deutschlands Hockeyspieler des Jahres seine Fähigkeiten als Orthopäde auf dem Spielfeld einbringen musste. „Da sind wir professionell genug aufgestellt, so dass wir einen Mannschaftsarzt dabei haben und ich mich auf das Spiel konzentrieren kann“, sagt Häner. Gerne lässt er dem Teamarzt den Vortritt: „Es ist besser, wenn jemand dabei ist, der sich etwas länger mit der Materie beschäftigt.“