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April 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

Köln (SID) Vor nicht einmal einem Jahr gewann Doppel-Spezialist Kevin Krawietz die French Open, heute räumt er Regale im Supermarkt ein – um zu erleben, wie sich ein normaler Job anfühlt. Die Coronakrise macht es möglich.

Obst und Gemüse gehen gut weg, in Gang sieben werden die Nudeln schon wieder knapp. Und am Kühlregal ist sowieso immer was zu tun. Der Alltag des Tennisprofis Kevin Krawietz hat an Glamour verloren, keine Frage. Knapp elf Monate ist es her, da gewann der Doppel-Spezialist an der Seite von Andreas Mies die French Open in Paris. Heute räumt Krawietz im Supermarkt Regale ein, um den eigenen Horizont zu erweitern.

„Seit ein paar Wochen arbeite ich auf 450-Euro-Basis bei einem Discounter“, erzählte Krawietz im Interview mit dem Spiegel, und er fühlt sich an Erfahrung reicher. Zum ersten Mal in seinem Leben geht der 28-Jährige einem Job abseits des gelben Filzballs nach, die Zwangspause während der Coronakrise macht es möglich.

„Ich räume zusammen mit einem Kumpel Regale ein und aus, schaue, dass Wurst und Käse aufgefüllt sind, sortiere leere Kartons aus, wir nennen das abschachteln“, berichtet Krawietz: „Letzte Woche habe ich einmal vor dem Eingang Security gemacht, die Einkaufswagen mit Desinfektionsmittel besprüht.“

Er habe generell schon länger vorgehabt, „mal in einen normalen Job reinzuschauen. Durch Corona habe ich nun die Gelegenheit dazu“, sagte Krawietz, der über eine Bekannte erfuhr, dass zurzeit händeringend Leute für die Filialen gesucht werden. Durch seinen neuen Job habe er vor allem „mehr Wertschätzung“.

„Die Kollegen hier stehen teilweise um fünf Uhr auf, sind ab halb sechs im Laden, um die Regale zu befüllen. Ich hingegen hatte in meinem Leben den Luxus, mein Hobby zum Beruf machen zu können“, sagte Krawietz.

Das war allerdings auch für den Coburger kein ganz einfacher Weg. Krawietz gehörte nie zu denen, die Unsummen auf der Profitour verdienen. Bis zum Durchbruch im vergangenen Jahr war es beschwerlich. Für einen Turniersieg in der zweithöchsten internationalen Serie (Challenger) etwa gebe es mitunter „etwas über tausend Euro an Preisgeld“, sagt Krawietz: „Das war dann also mein Wochenlohn. Den muss ich versteuern, dann gehen noch die Fahrtkosten runter und das Honorar für den Trainer.“

Für Krawietz hat es funktioniert, dank eines persönlichen Sponsors und Unterstützung durch die Eltern. Für die Zukunft sei dennoch wünschenswert, „dass man auch jenseits der Top 100 gut von dem Sport leben kann“. Es müsse möglich sein, „das Niveau mithilfe von Turnierveranstaltern und Sponsoren auf das im Profigolf anzuheben – dort verdient der Spieler auf Weltranglistenplatz 200 deutlich mehr als sein Pendant im Tennis“.