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Dezember 2024

Landessportbünde

In Hünstetten im Rheingau-Taunus-Kreis hat ein kleiner Baseball-Verein quasi in Eigenregie eine besondere Sportanlage errichtet.

Wer mitten im Taunus, nicht gerade Kernland des Base- und Softballsports, ein Baseballfeld errichten will, braucht einen großen, freien Platz. Er braucht schweres Gerät, um das Gelände zu bearbeiten, Dutzende Zaunelemente, um das Ganze zu begrenzen. Er braucht Pflastersteine, Sand, Rasensamen und im richtigen Moment Regen, der das Gras zum Wachsen bringt. Vor allem aber braucht er einen starken Willen, viel Optimismus und große Überzeugungskraft. Er braucht einen Traum, den er mit anderen teilt. Eine Vision, von der er andere überzeugt.

Denn ein Baseballplatz kostet, wie jede Sportanlage, jede Menge Geld. Geld, das Kommunen und andere Investoren lieber in weniger exotische Sportstätten investieren. In Turnhallen, Kunstrasenplätz oder sanierungsbedürftige Schwimmbäder. William „Bill“ Dickman war sich diese Tatsache immer bewusst. Wenn er, aufgewachsen in Ohio (USA), seit 35 Jahren im Rhein-Main-Gebiet zu Hause, von Baseball als „Sport seiner Kindheit“ spricht, dann weiß er, dass er damit im Taunus relativ alleine ist.

„Bis vor wenigen Jahren gab es hier für Jungs vor allem drei Alterantiven: Fußball, Fußball oder Fußball“, sagt Dickman mit einem Augenzwinkern über den Ort, an dem der Platz seiner Träume nun steht. Er meint das nicht böse. Er mag Fußball. Er mag eigentlich jeden Sport. Aber Baseball ist seine besondere Leidenschaft. Als er 1985 für ein Praktikum nach Deutschland kam und sich abzeichnete, dass er länger bleiben wird als das geplante Jahr, suchte er sich einen Verein. Er spielte Bundeliga, wurde zweiter Vorsitzender von Mainz Athletics. 2003 brachte er Baseball dann in die Gemeinde Hünstetten im Idsteiner Land.

„Ich habe damals zu einem Kennenlerntag eingeladen. Ich wusste natürlich: Nicht jedes Kind mag Fußball. Aber ich konnte nicht abschätzen, wie groß das Interesse an Baseball ist.“ Es war groß: 200 Personen schauten vorbei. Am Ende wollten 92 Kinder spielen. Von der Abteilung zum eigenen Verein Wenig später hatte die SG Hünstetten eine neue Abteilung, Dickmann war ihr Leiter. Zusammen mit Chris Higgens, einem weiteren US-Amerikaner, fing er an, Jugendmannschaften zu trainieren. Die Kinder wurden älter, die Leistungen besser, die Ansprüche stiegen. Der Fußballplatz, auf dem sie trainierten und ihre Spiele abhielten, erfüllte die geforderten Bedigungen nicht mehr.

Als das Herrenteam in die Zweite Bundesliga aufstieg, musste für die Heimspiele auf fremde Plätze, etwa in Mainz oder Rüsselsheim, ausgewichen werden. Der Traum einer eigenen Anlage war geboren. Seit 2019 ist der Traum nun Realität. Wer das Baseballfeld besuchen will, biegt in Limbach, einem der zehn Ortsteile der 10.000-Einwohner-Gemeinde Hünstetten, links ab. Durch golden leuchtende Getreidefelder geht es auf einer schmalen Straße sanft bergauf. Auf einer kleinen Anhöhe, hinter einem neu angelegten Schotterparkplatz mit zierlichen Bäumchen, die noch kein einziges Blatt getrieben haben, taucht das Feld dann auf. Ein gutes Dutzende junge Männer und eine junge Frau in blau-gelben Trikots und hellen Hosen machen sich auf dem „Outfield“ warm, laufen Runden, werfen und fangen erste Bälle.

Sebastian Willsch steht am Rand und schaut zu. Mit Anfang 30 könnte er ohne Probleme selbst auf dem Platz stehen. Doch Willsch, dessen jüngerer Bruder zu den ersten Spielern der Gruppe gehörte, hat sich für einen anderen Weg entschieden: Er wurde Schiedsrichter, Scorer (Erfasser), engagierte sich im Verband. Heute ist er Vorsitzender des Baseball- und Softball-Clubs Hünstetten Storm. „Der Schritt von der Abteilung zum eigenen Verein ist eng mit dem Bau unserer Anlage verbunden“, sagt Willsch. Davor sei die Arbeit in der Abteilungsleitung überschaubar gewesen. „Durch dieses Großprojekt ist einiges dazugekommen.“

Treibende Kraft, breite Basis

Neun Personen gehören dem Vorstand des Vereins heute an, Bill Dickman ist zweiter Vorsitzender. Längst ist es für den Verein selbstverständlich, auch mit Schulen zu kooperieren, ihre Sportart dort vorzustellen. Eltern und ehemalige Spieler sind zu Trainern und Ehrenamtlichen geworden. „Wenn Chris Higgens und ich vor wenigen Jahren aufgehört hätten, wäre Baseball hier vor Ort gestorben. Jetzt würde es weiterleben“, ist Dickan deshalb überzeugt.

Das ist wohl die größte Erfolgsgeschichte in Hünstetten: Aus dem „einzelnen Ami mit einer verrückten Idee“ (Dickman) ist ein funktionierender, wenn auch kleiner Verein geworden. Er ist immer noch die treibende Kraft. „Aber wir haben inzwischen eine breite Basis.“

Um das Großprojekt Baseballanlage – kalkulierte Kosten 450.000 Euro – zu stemmen, mussten aber nicht nur Mitglieder gewonnen, sondern auch Investoren und die Gemeinde überzeugt werden. Die hat den Grund, auf dem die Anlage errichtet ist, gekauft und an den Verein verpachtet. „Eine wichtige Grundlage“, sagt Willsch. Viel mehr aber auch nicht. Denn Pachtgebühr, die Kosten für Bewässerung etc. muss der Verein im Gegensatz zu manch anderem Verein selbst zahlen.

Geld von der Major Leage Baseball

Umso wichtiger war die Unterstützung der Major League Baseball aus den USA, die den Platz über ihren Baseball Tomorrow Fund mit 165.000 Euro unterstützt hat. „Darüber fördert sie Baseballsport überall auf der Welt“, erklärt Dickmann. Ein so großer Betrag wie nach Hünstetter wurde bisher aber selten vergeben. Doch Dickman, das merkt man schnell, ist einer, der überzeugen kann. Der schwärmt, dalegt, manchmal auch nervt, um das Ziel zu erreichen. Damit hat er auch den einen oder anderen Unternehmer und Privatmann überzeugt. Nicht jeder davon mag in der Zeitung lesen, wie viel er gegeben hat. „Sonst kommen alle.“ Hinzu kamen Kleinspenden, die unermüdliche Arbeit des 2011 gegründeten Fördervereins, ein Kredit – und jede Menge Eigenleistung.

„Wir schauen schon mal bei Ebay, ob jemand Pflastersteine zu verschenken hat“, verdeutlicht Wilsch, selbst Bau-ingenieur und an der Planung maßgeblich beteiligt. Auch den Zaun um die Anlage haben die Mitglieder selbst gesetzt: „Hat uns fast 30.000 Euro gespart.“ Genügend Leute dafür zu gewinnen, ist nicht immer einfach. Und auch fertig ist bei Weitem nicht alles, selbst Anschlüsse müssen noch gelegt werden. Zu allem Überfluss konnte auf dem Feld, über das inzwischen – passend zum Namen des Teams – ein stürmischer Wind pfeift, Corona-bedingt noch kein Spiel ausgetragen werden. Die beiden Vorsitzenden aber glauben daran, dass alles gut wird. „Es ist toll, dass wir die Anlage haben. Das weckt Interesse. Die Leute fragen nach und wollen mehr über Baseball erfahren“, sagt Willsch.

Bei den Heimspielen hofft er auf zahlreiche Zuschauer. So soll eine stärkere Bindung zwischen Verein und Gemeinde entstehen, außerdem Einnahmen aus Eintritt und Verpflegung generiert werden. „Manchmal muss man sagen: Keine Ahnung, wie wir den Rest schaffen. Wir fangen einfach mal an“, findet Dickman, der US-Amerikaner. Wilsch sagt, „Just do it“ allein reiche nicht aus. Man müsse schon seriös planen und sich Gedanken machen. Die Begeisterung zerstören dürften Sorgen und Planungen aber auch nicht. In Hünstetten hat das geklappt: Die Anlage steht, die Begeisterung lebt.

Quelle: www.landessportbund-hessen.de (Text: Isabell Boger)