Tokio/Berlin (SID) Der Countdown läuft: Am 23. Juli 2021 sollen die Olympischen Spiele in Tokio beginnen. Die Veranstalter nutzten den Stichtag im Jahr zuvor trotz akuter Corona-Sorgen zu einem symbolischen Akt.
Viele Athleten sind skeptisch, Japans Bevölkerung winkt schon ab – doch die Olympia-Macher geben im Wettlauf mit Corona nicht auf. Genau ein Jahr vor Beginn der verlegten Spiele von Tokio – und einen Tag vor der ursprünglich angesetzten Eröffnungsfeier – setzten die Organisatoren am 23. Juli 2020 ein Zeichen der Hoffnung.
Im leeren Olympiastadion wurde ein Video veröffentlicht, das die Botschaft von Respekt und Dankbarkeit enthielt und den Athleten Mut machen soll, die an den Spielen (23. Juli bis 8. August 2021) teilnehmen wollen. Die Nachricht ging um 20.00 Uhr um die Welt, genau ein Jahr vor dem Beginn der Eröffnungsfeier.
IOC-Präsident Thomas Bach sprach von einem „Gänsehauterlebnis“ und pries erneut die Chancen, die die Spiele in Tokio bieten. „Wenn alles seinen richtigen Weg geht, wird Olympia in Tokio das erste Fest nach Corona, das die Welt vereint“, sagte Bach und sprach von einem „besonderen Meilenstein für die ganze Welt“.
Japans Bevölkerung hat jedoch kaum noch Lust auf das Spektakel. Laut Umfrage der nationalen Nachrichtenagentur Kyodo lehnte die Mehrheit der Befragten in Japan eine Austragung im nächsten Sommer ab. 36,4 Prozent gaben an, dass die Spiele nochmal verlegt werden sollten, 33,7 Prozent plädierten für eine Absage; nur 23,9 Prozent bekannten sich zu Olympia im nächsten Jahr.
Die Unlust resultiert auch daher, dass Japan die Pandemie nicht in den Griff bekommt. Zuletzt stiegen die Infektionen wieder dramatisch an, insgesamt sind knapp 27.000 Menschen infiziert, die Zahl der Toten kletterte auf über 1000. „Alles hängt davon ab, ob wir einen Impfstoff bekommen“, sagte Präsident Yoshiro Mori vom Organisationskomitee.
Ungeachtet dessen leisteten Japans Organisatoren ganze Arbeit. In den letzten Wochen konnten sie die durch die Verschiebung nötig gewordenen neuen Verträge mit allen 43 Austragungsstätten, dem Olympischen Dorf und dem Medienzentrum schließen. Ein enormer Kraftakt, der dazu führte, dass auch der Zeitplan feststeht und fast identisch ist mit dem von 2020. Schon erstandene Tickets können behalten oder ab Herbst umgetauscht werden.
„Für uns ist das ein Bekenntnis, dass die Spiele stattfinden sollen. Das ist beruhigend“, sagte Thomas Weikert, Präsident des Tischtennis-Weltverbandes, dem SID. Einige internationale Sportverbände sind aber mittlerweile durch den Wegfall von Olympia und den damit verbundenen Zahlungen in große Finanznot geraten, die Verlegung soll insgesamt sechs Milliarden Euro kosten.
Bach hatte zuletzt mehrfach von „mehreren Szenearien“ für Tokio 2020 gesprochen und auch Geisterspiele nicht ausgeschlossen. In einer ZDF-Umfrage sprachen sich jedoch deutlich mehr als die Hälfte der befragten deutschen Athleten gegen Spiele ohne Zuschauer aus.
Allerdings gibt es auch andere Meinungen. So erklärte der dreimalige Ringer-Weltmeister Frank Stäbler, dass er für seinen Gold-Traum auch Spiele ohne Zuschauer in Kauf nehmen würde. „Ich akzeptiere für Olympia alle Auflagen: Quarantäne und Wettkämpfe ohne Publikum“, sagte Stäbler der Sport-Bild. Und die sechsmalige Olympiasiegerin und beste Reiterin der Welt, Isabell Werth, meinte dazu: „Ohne Zuschauer wäre es traurig. Aber besser Geister-Wettkämpfe als gar keine.“