Lissabon (SID) In zehn Monaten vom Co-Trainer zum Triple-Coach: Hansi Flick hat den FC Bayern im Rekordtempo zur besten Mannschaft in Europa gemacht.
Triple-Trainer Hansi Flick war es sichtlich unangenehm, als er in der Partynacht von Lissabon unter dem Gejohle seiner Spieler von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge auf die Feierbühne zitiert wurde. „Du bist immer ein so bescheidener Mensch“, sagte Rummenigge, „du hast einen Wahnsinnsjob gemacht, du kannst stolz darauf sein.“ Flick schüttelte fast peinlich berührt den Kopf, dann drückte Rummenigge den zweiten Münchner Triple-Coach nach Jupp Heynckes fest an sich. Der ein oder andere Beobachter wollte sogar ein Küsschen gesehen haben.
Wer wollte Rummenigge seine innige Zuneigung zu Flick verdenken? Schon die Spieler hatten ihren Coach angeführt von Matchwinner Kingsley Coman und Altmeister Thomas Müller immer wieder hoch in den Nachthimmel über Lissabon geworfen. Und als der neue Triple-Trainer von Bayern München wieder festen Boden unter den Füßen hatte, prasselte das Lob auf ihn herab, von allen Seiten.
„Der Trainer“, sagte Müller, „ist der Mann, der das Schiff auf Kurs hält. Das hat Hansi perfekt gemacht.“ Mehr war fast nicht zu sagen über den Mann, der den FC Bayern in nicht einmal zehn Monaten aus der Krise zum Dreifachtriumph führte.
„Er hat einen ganz großen Anteil“, sagte Kapitän Manuel Neuer über Flick, der nicht nur mit der Hereinnahme von „King“ Coman in die Startelf am Finaltag ein goldenes Händchen im Umgang mit seinen Spielern bewies. „Dagegen kann man wenig sagen“, sagte der Trainer angesprochen auf seine Entscheidung für Torschütze Coman (59.) mit einem Schmunzeln. Dann verfiel er wieder in die für ihn typische Sachlichkeit: „Es war aber ein Mannschaftserfolg. Wir können stolz sein auf die Jungs.“
Doch vor allem waren seine Jungs auch stolz auf ihn, auf den Co-Trainer der deutschen Weltmeistermannschaft von 2014. Es habe ihm „noch nie so viel Spaß gemacht, in einer Mannschaft zu spielen wie jetzt“, schwärmte Neuer nach dem 1:0 (0:0) gegen Paris St. Germain. Flick, betonte Tor-Vorbereiter Joshua Kimmich, habe dem Team „von Anfang an ein sehr gutes Gefühl und sehr viel Vertrauen gegeben. Wir hatten ein Gefühl der Unschlagbarkeit“ – dank Flick.
Ob Corona, Meistertitel, Pokalsieg oder nun der sechste Triumph in der Königsklasse für den FC Bayern: Flick nahm all dies mit unnachahmlicher Ruhe auf – eine seiner größten Stärken. „Ich habe eigentlich keine große Zeit darüber nachzudenken“, sagte er gewohnt cool nach dem großen Triumph, der nicht zuletzt auch seiner war. Auf größere Jubelgesten verzichtete er, stattdessen versammelte Flick lieber seinen Stab zum Siegerfoto um sich.
Flick, der Teamplayer. Mit seinem Amtsantritt am 4. November 2019 ging ein Ruck durch den Klub, ein Erfolg jagt den nächsten. „Als ich im November die Schlagzeilen gelesen habe, hieß es, dass keiner mehr Angst vor Bayern hat. Die Entwicklung seitdem war Wahnsinn“, sagte er – und sie war sein Verdienst. „Ähnlich klar geregelt war unser Spiel zuletzt unter Pep Guardiola„, betonte Müller.
Vor allem die menschliche Seite Flicks wissen die Spieler zu schätzen. „Er ist“, sagte Neuer, „ein Menschenfänger.“ Bundestrainer Joachim Löw sagte über seinen einstigen Assistenten: Die Kombination „aus hoher Fachkompetenz und großer Empathie für sensible Verbindungen in einer Mannschaft machen ihn zu einem so guten Trainer.“
Jetzt haben die Bayern die Chance, „über einen längeren Zeitraum einen Trainer zu haben, der eine Epoche prägen kann„, schwärmte Heynckes. Flicks Vertrag wurde bis 2023 verlängert, für Rummenigge läuft es unter ihm „wie geschnitten Brot“. Da kann man sich schon mal knutschen lassen.