Köln (SID) Joachim Löw bittet zum EM-Schaulaufen seiner zweiten Garde. Danach wird es in der Nations League doppelt ernst. Der Druck steigt.
Beim Zielschießen auf Mini-Tore blieb Joachim Löws Ball einen halben Meter vor der Linie liegen. Der Bundestrainer lächelte seinen Assistenten Marcus Sorg an: Noch ging es ja um nichts. Am 7. Oktober aber will Löw beim großen EM-Casting seines „B-Pools“ Leistung sehen, danach geht es in der DFB-Hochsicherheitsblase zur Nations League ins Corona-Risikogebiet Ukraine. Der Druck steigt.
Das Schaulaufen der zweiten Garde gegen die Türkei (20.45 Uhr/RTL) ohne sieben bis acht altgediente Stammkräfte sei „eine einmalige Gelegenheit“, betonte DFB-Direktor Oliver Bierhoff: „Die Spieler können dem Trainer in Köln das Zeichen geben, dass er auf sie nicht verzichten kann.“
Er nahm besonders Julian Draxler in die Pflicht, über den er bei Nitro sagte, er könne zeigen, „dass er eben nicht nur Mitläufer ist“. Auch die möglichen Debütanten Mahmoud Dahoud, Jonas Hofmann und Florian Neuhaus werden dies vernommen haben.
Eine erste Erkenntnis: Löws Auswahl ist weniger tief, als er es gerne hätte. Acht Spieler, die gegen die Türkei infrage kommen, haben nicht einmal in ihren Vereinen einen Stammplatz: Dahoud, Julian Brandt und Nico Schulz (alle Borussia Dortmund), Benjamin Henrichs (RB Leipzig), Jonathan Tah und Nadiem Amiri (beide Bayer Leverkusen), Antonio Rüdiger (FC Chelsea) und Draxler (Paris St. Germain).
Dennoch fordert der Bundestrainer Leistung ein: „Wir müssen gierig, hungrig, konsequenter und kaltblütiger werden. Wir müssen uns so präsentieren, dass die Zuschauer wieder Lust auf die Nationalmannschaft haben.“ Zumindest die vorm Fernseher – im Stadion werden wohl keine erlaubt sein.
Löws Mammutkader von 28 Spielern (Suat Serdar hatte verletzt abgesagt) war im Stadion von Fortuna Köln am 5. Oktober reichlich ausgedünnt. Der gesamte Bayern-Block um Manuel Neuer und Joshua Kimmich, die beiden Leipziger Marcel Halstenberg und Lukas Klostermann sowie Toni Kroos (Real Madrid) werden im Test-Länderspiel geschont, um dann in der Nations League nach dem durchwachsenen deutschen Start Schlimmeres zu verhindern.
Timo Werner fehlte erkältet, Rüdiger war noch nicht angereist, ein Quartett von Spielern, die letzten Sonntag im Einsatz waren, durfte sich erholen. Löw trainierte unter einem Regenbogen, der sich durch die Wolken kämpfte, mit 14 Mann – keine perfekte Vorbereitung für ein Spiel, in dem der Bundestrainer „einiges ausprobieren“ will. am 6. Oktober sollten alle Spieler eintrudeln, die Arrivierten können die „Frischlinge“ kritisch beobachten. Das wird auch der RTL-Experte Lukas Podolski tun.
Löw ist nicht der allergrößte Fan von Spielen mit untergeordneter sportlicher Bedeutung. Fritz Keller hingegen hob eindeutig den Wert hervor: „Sie sind ganz wichtig, um zukünftigen Nationalspielern eine Chance zu geben, sich langsam reinzuspielen“, sagte der DFB-Präsident dem SID.
Für die Nations-League-Spiele gegen die Ukraine in Kiew (10. Oktober) und die Schweiz erneut in Köln (13. Oktober) gab er dem Bundestrainer eine klare Ansage mit. „Jetzt gibt’s nur einen Weg: punkten und punkten! Wir können es uns nicht leisten, abzusteigen.“
Joachim Löw braucht er allerdings nicht katholisch zu reden. Der 60-Jährige ärgert sich selbst „wahnsinnig“ über die vergebenen Gelegenheiten gegen Spanien und in der Schweiz. Beide Spiele endeten 1:1, Spanien traf zum Ausgleich in der sechsten Minute der Nachspielzeit.
Direkte Vakanzen gibt es in Löws erster Mannschaft keine, dennoch könnten sich im Spiel gegen die Türkei einige Spieler empfehlen. Für den 100-Millionen-Euro-Mann Kai Havertz hat der Bundestrainer beispielsweise noch keine rechte Verwendung gefunden, Brandt und Draxler würde etwas Nachdruck auch guttun. Ansonsten geht es um tiefe Kaderplätze wie beispielsweise die dritte Torhüterposition hinter Neuer und Marc-Andre ter Stegen.
Die voraussichtliche Mannschaftsaufstellung:
Leno/FC Arsenal (28 Jahre/7 Länderspiele) – Can/Borussia Dortmund (26/27), Ginter/Borussia Mönchengladbach (26/31), Rüdiger/FC Chelsea (27/32) – Henrichs/RB Leipzig (23/3), Havertz/FC Chelsea (21/7), Neuhaus/Borussia Mönchengladbach (23/0), Gosens/Atalanta Bergamo (26/2) – Draxler/Paris St. Germain (27/53), Waldschmidt/Benfica Lissabon (24/3), Brandt/Borussia Dortmund (24/32). – Trainer: Löw