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Oktober 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

München (SID) Im deutschen Fußball wurde zuletzt häufiger der Mangel an Ausnahmetalenten beklagt. Doch nicht nur Jamal Musiala macht Hoffnung.

Kapitän Manuel Neuer oder Mittelfeldchef Toni Kroos geht die Verjüngungskur in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft offensichtlich zu schnell. Doch während sich seine Führungsspieler öffentlich für ein Comeback altgedienter Weltmeisterkollegen einsetzen, denkt Joachim Löw bei seinem Jugendstil längst noch radikaler. Das zeigt nicht zuletzt der Fall Jamal Musiala.

Der Bundestrainer sieht „riesiges Potenzial“ in dem Teenager von Bayern München und stellte dem Offensivspieler eine Nominierung für die WM-Qualifikationsspiele Ende März in Aussicht. Andere Ausnahmetalente wie Youssoufa Moukoko, Florian Wirtz oder Luca Netz hat Löw ebenfalls längst auf dem Radar. Während DFB-Präsident Fritz Keller die Zukunft des Bundestrainers zuletzt erneut an einen erfolgreichen Turniersommer geknüpft hatte, scheint dieser schon über sein Vertragsende 2022 hinaus zu denken.

Bei der Heim-EM 2024 sind die „goldenen Jahrgänge“ 1995/96 um Joshua Kimmich und Leroy Sané im besten Fußballer-Alter. Doch danach, so lautete bislang die einhellige Experten-Meinung, werde es einen extremen Talente-Mangel geben. Noch gebe es Hoffnungsträger, aber nur mehr „vereinzelt – und nicht mehr in einer Vielzahl wie noch vor Jahren“, klagte Oliver Bierhoff zuletzt wiederholt. Der DFB-Direktor sieht „die Zukunft des deutschen Fußballs“ in Gefahr.

Widerlegen junge Karrieren wie jene von Musiala, Moukoko, Wirtz oder Netz diese düsteren Prognosen? „Wir haben durchaus Talente in Deutschland“, sagte Meikel Schönweitz, Cheftrainer U-Nationalmannschaften beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), dem SID, „aber wir haben mittlerweile auch ein System, das eine optimale Talentförderung nur noch bedingt zulässt – und das wir gemeinsam wieder verbessern müssen.“

Auch Schönweitz vertritt die These der „vereinzelten“ Ausreißer nach oben. Der Anspruch sei es aber, „dass die Bundesliga und die Nationalmannschaft aus einem Pool von deutschen Toptalenten schöpfen können und dass wir Spieler entwickeln, die international dauerhaft Maßstäbe setzen können“. Dabei nütze es nichts, „schwarzzumalen, wir müssen zusammen anpacken und dafür sorgen, dass die nächsten ‚goldenen Jahrgänge‘ reifen können.“

Auch unter Löw. Der Bundestrainer hat Musiala, der Ende Februar gerade mal 18 Jahre alt wird, schon „einen sehr klaren und konkreten Weg in der Nationalmannschaft aufgezeigt“, wie der Münchner selbst berichtete. Das Boulevardblatt Sun nannte dessen Entscheidung pro DFB einen „heftigen Nasenstüber“ für England.

Nach Moukoko (16) hatte sich Löw bereits erkundigt, als der erst 14 war. Der Dortmunder habe „ein Talent, welches man nicht oft zu sehen bekommt“, meinte er im vergangenen Herbst. Ähnliches gilt für Netz (17), den sein Berliner Trainer Pal Dardai als „Riesen-Rohdiamant“ sieht. Und einen Besuch des Bundestrainers bei Wirtz (17) in Leverkusen verhinderte neulich nur eine Panne an Löws Dienstwagen. Bayer-Coach Peter Bosz sieht bei Wirtz die Qualität, um schon bei der EM „in den Kader zu kommen“.

Mit einer Nominierung von Thomas Müller, Mats Hummels oder Jerome Boateng ist daher im März nicht zu rechnen. Für die Duelle mit Island (25.), Rumänien (28.) und Nordmazedonien (31.) hat Löw sie aktuell trotz prominenter Fürsprecher erst einmal nicht eingeplant.

Was die EM angeht, lässt sich der Bundestrainer aber noch alle Möglichkeiten offen. Vor allem Müller darf wohl hoffen, sofern er nach seiner Corona-Erkrankung wieder zu alter Form findet – und Löw beim Diamanten-Schliff noch Zeit braucht.