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März 2024

Landessportbünde

Auch im Amateursport gilt die sexuelle Vielfalt weitgehend als Tabuthema. Der organisierte Sport in Rheinland-Pfalz verfolgt das Ziel, dass alle Menschen unabhängig von ihrem kulturellen und religiösen Hintergrund, ihren körperlichen Voraussetzungen, ihrem Alter, ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität und ihren sozio-ökonomischen Verhältnissen gleiche Zugangs- und Entwicklungschancen im Sport haben. Bei einer virtuellen Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit unter dem Motto „Outsport –  Sexuelle Vielfalt und Geschlechtsidentität im Sport“ am Freitagabend bekräftigte Oliver Kalb, LSB-Abteilungsleiter für Gesellschaftspolitik, dass der Landessportbund alles daran setzt, dass jeder sich entsprechend seiner Interessen und Fähigkeiten gleichermaßen in den 6.000 rheinland-pfälzischen Vereinen und Verbänden engagieren kann. Kooperationspartner der Veranstaltung waren das Kultur- und Kommunikationszentrum für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* und Intersexuelle in Mainz „Bar jeder Sicht“ sowie Queernet RLP.

Trotz vieler Erfolge und positiver Beispiele in RLP ist der Sport mit seinen vielen Facetten im Breiten-, Freizeit-, Wettkampf- und Spitzensport kein flächendeckend diskriminierungsfreier Raum. „Ziel des LSB ist es, jeglicher Form von Diskriminierung entschieden entgegenzutreten und Maßnahmen für eine wertschätzende und vielfältige Kultur im rheinland-pfälzischen Sport zu entwickeln“, betonte Kalb im Gespräch mit Moderator Joachim Schulte, Sprecher von QueerNet RLP.

Virtuelle Diskussionsrunde zu sexueller Vielfalt und Geschlechtsidentität im Sport

„Sport ist aufgrund der Körperzentrierung und Geschlechtertrennung im Wettkampfbereich ein Bereich, in dem stereotype Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit besonders wirksam sind“, machte Sportsoziologin Prof. Ilse Hartmann-Tews von der Sporthochschule Köln deutlich, die den Kontext von Homo- und Transfeindlichkeit skizzierte und die Ergebnisse der „Outsport-Studie“ präsentierte, mit der sie die Erfahrungen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen sowie Trans- und Intersexuellen im Sport erforscht hat. Eine Abweichung von dieser heteronormativen Ordnung führe nicht selten zu homo- oder transnegativen Reaktionen des (sportlichen) Umfelds.

Laut Hartmann-Tews ist das Thema Homophobie im Sport definitiv aktuell. „Wir wachsen mit der Vorstellung der Binarität auf – entweder man ist Mann oder Frau“, sagte die Forscherin. Ein Strukturprinzip des organisierten Wettkampfsports sei die Geschlechtertrennung. „Der DOSB steht für Sport für alle, für eine Inklusion. Jeder soll Zugang haben, wird da in den Statuten garantiert. Sport ist fair ist dabei so eine Message – aber vielleicht gibt es da auch Brüche.“ Die Studie habe gezeigt, dass die Hälfte der LSBTQ+ Personen, die sportlich aktiv sind, dumme Sprüche abbekommen. Teilweise sogar krasse. Über 80 Prozent hätten sich dadurch verletzt, angegriffen, diskriminiert gefühlt. Passiere dies öfter, könne dies negative psychosomatische Folgen haben. Die Palette der Diskriminierungen sei breit, reiche bis hin zu körperlicher Gewalt. 19 Prozent hätten aufgrund ihres LSBTQ+ Status aufgehört, Sport zu machen bzw. verzichteten auf bestimmte Sportarten. Innerhalb der LSBTQ+ People seien Transgender „die noch vulnerablere Gruppe“. Jeder sollte sich daher als gesellschaftlicher Akteur begreifen und ein Bewusstsein für Diversität schaffen, so das Plädoyer der Forscherin. Ganz wichtig sei ein Dialog zwischen Sportorganisationen und LSBTQ+ Organisationen wie QueerNet. Angesagt seien auch Diversity-Trainings in den Ausbildungsstrukturen des organisierten Sports. Gerade junge Menschen müssten befähigt werden, sich für Antidiskriminierung einzusetzen.

„Es gibt Optimierungsbedarf – wir müssen nachbessern, sodass Vielfalt nicht nur eine Floskel ist, sondern auch flächendeckend gelebt wird“, urteilte Kalb. Der Startschuss sei vor neun Monaten erfolgt. Die Kooperationsvereinbarung mit QueerNet RLP sei geschlossen, wegen Corona nur noch nicht unterzeichnet. „Die Akzeptanz von Vielfalt schreitet voran – ganz klar“, so das Fazit des LSB-Abteilungsleiters. „Aber es ist natürlich auch ein Prozess, der viel Zeit in Anspruch nimmt. Man muss ein Stück weit Verständnis dafür aufbringen, dass die Dinge ihre Zeit brauchen.“ Momentan sei man in der Phase, durch eine gute Öffentlichkeitsarbeit sowie immer wieder neue Veranstaltungen für dieses Thema zu sensibilisieren – um so einen Stein ins Rollen zu bringen.

In den Augen von Sportsoziologin Hartmann-Tews sind die Landessportbünde generell super aufgestellt mit Handlungsempfehlungen für eine gleichberechtigte und diskriminierungsfreie Teilhabe von LSBTQ+ Personen im Sport. Aber dies komme noch nicht bei allen Vereinen an. „Wir würden die Vereine auch völlig überfordern, wenn wir wollten, dass jeder kleinste Verein einen Beauftragten für Antidiskriminierung benennt“, so die Wissenschaftlerin. „Doch jeder Verein sollte wissen, dass es eine Ansprechperson beim LSB gibt für Vielfalt und gegen Diskriminierung im Sport. Man muss den Vereinen sagen, dass sie das aushängen sollen, dass sie das publik machen sollen.“ Schulte würde sich wünschen, dass in jedem Verein diese Ansprechperson im Infokasten mit Mailadresse oder QR-Code klar ersichtlich sei. Es sei einfach nötig, dass diese Ansprechpartner „vor Ort sichtbar“ seien. Laut Oliver Kalb ist „eine Anlaufstelle zu benennen das eine – viel wesentlich ist dann die Person, die diese Fälle aufarbeitet“.

Kontakt: Oliver Kalb, Abteilungsleiter Gesellschaftspolitik – Ansprechperson Prävention sexualisierter Gewalt, E-Mail: o.kalb@lsb-rlp.de

Quelle: www.lsb-rlp.de