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November 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

Frankfurt/Main (SID) Bei den Halbfinals und dem Endspiel der Fußball-EM dürfen über 60.000 Fans ins Wembleystadion. Für die Kritiker der Zuschauer-Politik ist das die Spitze der Verantwortungslosigkeit.

Grölende Fans dicht an dicht auf den Tribünen, feiernde Party-People in der Stadt, proppenvolle Wege zum Stadion: Was sich von Dienstag bis Sonntag rund um die Halbfinals und das Endspiel der EM in London abspielen wird, ist für die Gegner der Zuschauer-Politik nicht weniger als ein Corona-GAU. Die Europäische Fußball-Union (UEFA) juckt das allerdings nicht – auch wenn die Kritik seit Wochen aus allen Richtungen kommt.

„Ich bin sorgenvoll und skeptisch, ob das gut ist und nicht ein bisschen viel“, kommentierte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Zulassung von jeweils rund 60.000 Zuschauern für die Partien im Wembleystadion. Merkel-Kenner wissen nur zu gut, was die diplomatische Formulierung der deutschen Regierungschefin eigentlich bedeutet: Die Kanzlerin hält angesichts steigender Fallzahlen auf der Insel als Folge der Delta-Variante wenig bis gar nichts von diesem Schritt.

Andere bringen diese Auffassung, die angesichts von Tausenden nachgewiesenen Infektionen im Zusammenhang mit dem Turnier nicht weit hergeholt ist, deutlicher auf den Punkt. Spitzenpolitiker bezeichneten die Zuschauer-Strategie unter anderem als „unverfroren“. Auch für Bundesinnenminister Horst Seehofer ist „die Position der UEFA absolut verantwortungslos“. Der Kommerz dürfe „nicht den Infektionsschutz für die Bevölkerung überstrahlen“.

Genau das ist aber nach Ansicht der Kritiker der Fall. „Mir fehlt jedes Verständnis für das lediglich gewinnorientierte Agieren der UEFA“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Europa-SPD Tiemo Wölken dem RND. Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold nahm die Regierungen mit in Haftung: „Es ist kein gutes Zeichen für die Demokratie, wenn Regierungen vor einem durch Korruption gekennzeichneten Fußballverband kuschen.“

Die UEFA, die bereits im Frühjahr aufgrund ihrer geforderten Zuschauer-Garantien in den EM-Stadien heftig attackiert wurde, sieht den Sachverhalt natürlich völlig anders. Alles sei „vollständig auf die Vorschriften der zuständigen lokalen Gesundheitsbehörden abgestimmt“. Zudem würden die „endgültigen Entscheidungen“ hinsichtlich der Zuschauerzahlen „in die Zuständigkeit der lokalen Behörden“ fallen.

Genau diese Versagen allerdings nach Ansicht des Gesundheitsexperten Karl Lauterbach, der die UEFA „für den Tod von vielen Menschen verantwortlich“ gemacht hat, derzeit in Großbritannien. Das Vereinigte Königreich unter der Führung von Premier Boris Johnson setzt laut dem SPD-Politiker „voll auf die Strategie ‚viele Kranke, kaum Tote‘. Von den Kranken werden aber sehr viele LongCovid entwickeln“.

Auch die Wissenschaft blickt skeptisch über den Ärmelkanal. „Ich sehe das auch mit einer gewissen Sorge. Wir sind schon noch in einer Übergangsphase in dieser Pandemie – und wir sollten nicht zu leichtsinnig werden“, sagte Leif Erik Sander, Leiter der Impfstoff-Forschung der Berliner Charite, im ZDF: „Sehr viele Menschen auf einem Haufen birgt immer noch die Gefahr einer Virus-Übertragung – gerade jetzt mit der Delta-Variante.“

Sorge bereitet auch die Frage, wie viele Fans der Halbfinalisten aus Spanien, Italien und Dänemark das Einreiseverbot umgehen wollen – wie zuletzt zahlreiche englische Anhänger beim Viertelfinale in Rom. Zudem werden aus Dänemark Forderungen laut, wonach geimpfte Anhänger nach England gelassen werden sollten.

Wenigstens in dieser Hinsicht ist das frühe Aus der DFB-Auswahl von Vorteil – deutsche Fans bringen die Variante jedenfalls nicht in die Heimat mit.