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November 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

Chateauroux (SID) Der Australier Lachlan Morton fährt parallel zum Hauptfeld die Tour-Strecke ab. Alleine, im Stil der frühen Radsport-Hasardeure.

Seine Zimmerdecke ist ein Sternenhimmel, die Massageliege eine dünne Schaumstoffmatte, und statt Isodrink gibt es abends ein Glas Rotwein in einer ranzigen französischen Hinterland-Bar. Freilich, Lachlan Morton ist ein Radprofi, ein sehr guter zudem, aber ein ganz anderer als die Pogacars, Froomes und Buchmanns dieser Welt. Und deshalb fährt der Australier derzeit seine ganz andere Tour de France. Alleine, ohne Hotels, Transfers, Ruhetage. Ohne den Luxus des hochtechnisierten Radsports. 5500 Kilometer weit. Als Hommage an die wilde Urzeit des „Cyclisme“ vor 120 Jahren.

„Damals ging es dem Tour-Direktor im Grunde darum, dass es nur ein Fahrer ins Ziel schafft. Es war ein völlig anderer Sport – total inspirierend“, sagt Morton: „Es war eine aufregende Zeit. An die will ich erinnern und eine Idee vermitteln, wie eine Tour durch Frankreich aussehen kann.“

Morton, 29, optisch eher ironisch-hipsteresk mit Schnurrbart, wallenden Locken und Tattoos unterwegs, müht sich derzeit ganz unironisch und mit edlem Ernst durch Zentralfrankreich. Auf derselben Route, die auch das Peloton fährt, darunter das Team EF Education Nippo, dem er im dritten Jahr als Berufsfahrer angehört. Und doch ist Morton von der flirrenden Welt der Großen Schleife weit entfernt.

Drei Wochen lang macht er auf seiner „Alt-Tour“ sein Ding, fährt, so lange es geht, 300 Kilometer, 400, bis in die Nacht herein, wie die Tour-Pioniere von 1903. Die Strecke vom Ziel zum nächsten Startort der offiziellen Tour legt er ebenfalls per Fahrrad zurück, was Strecke und Höhenmeter fast verdoppelt.

Das Nötigste führt er immer bei sich, als „Bikepacker“ schläft er unter freiem Himmel, seine Verpflegung organisiert er sich in Baguetterien und Kneipen, nicht immer profilike freilich. Der algerische Ausreißer Abdel-Kader Zaaf, der bei der Tour 1951 seinen Durst mit zwei Flaschen Wirtshaus-Weißwein stillte und nach einem Nickerchen zurück zum Startort irrfuhr, wäre stolz auf ihn.

„Mit sich selbst und wenig zufrieden zu sein, ist ein großartiges Gefühl“, sagt Morton: „Es scheint mir die reinste Form, Radsport zu erleben.“ Sicher, eine Kamera ist dabei, doch diese dokumentiert lediglich Mortons Anachronismen. Ankommen will Morton am Tag des Tour-Finales in Paris, vor dem Peloton. Und jeder gefahrene Kilometer unterstützt das World-Bicycle-Relief-Projekt, das weniger privilegierte junge Menschen mit Rädern versorgt.

„Diese Aktion war schon lange mein Traum“, sagt Morton: „Eigentlich wollte ich sie beim Giro 2020 durchziehen – den musste ich aber selber bestreiten.“ Denn der Rad-Romantiker ist durchaus ein Weltklasse-Profi.

Das amerikanische EF-Team hatte sich einst bewusst für die Verpflichtung Mortons entschieden, weil beide den anderen, alternativen, ganzheitlichen Radsport-Ansatz verfolgen. „Ich habe immer versucht, den Profisport und das Abenteuer zusammenzubringen“, sagt Morton, der auf den Schotterpisten dieser Welt zu Hause ist, mit seinem Bruder quer durch Australien und die Rocky Mountains fuhr: „Diese beiden Leidenschaften in diesem Team zu kombinieren, ist großartig.“

Und so bestreitet das EF-Team in seinen auffällig pinken Trikots derzeit zweimal die Tour de France. Die echte, mit dem Kolumbianer Rigoberto Uran als Kapitän und dem jungen Deutschen Jonas Rutsch als Helfer. Und die wahre, mit Morton als einsamem Rennrad-Cowboy auf dem Weg in den Sonnenuntergang.