Köln (SID) Sebastian Vettel am Scheideweg, Mick Schumacher vor seiner ersten „echten“ Saison. Dazu eine Reihe von Geheimtipps, die so geheim gar nicht mehr sind – und ein Neuling, auf den die Königsklasse seit Jahren gewartet hat. Die Formel 1 im Jahr 2022 ist mehr als das Duell Max Verstappen gegen Lewis Hamilton. Der SID wirft einen Blick auf sechs Fahrer im Fokus.
Sebastian Vettel (34)
Vor einem Jahr ist der Heppenheimer mit Aston Martin aufgebrochen, der gemeinsame Weg soll schon recht bald an die Spitze der Formel 1 führen – bislang ist man aber noch gar nicht vorangekommen. 2022 muss besser werden, denn eigentlich spielen die Umstände kaum einem Team so sehr in die Karten wie Aston Martin: Der Rennstall wächst rasant, investiert viel, wirbt prominente Fachkräfte ab – während die großen Konkurrenten aufgrund des Budgetdeckels schrumpfen müssen. Durch das komplett neue Reglement besteht theoretisch gar die Chance, den Rückstand auf einen Schlag wettzumachen. Oder alles zu vermasseln.
Das Jahr 2022 ist aber auch mit Blick auf Vettel ein entscheidendes: Der Vertrag des Ex-Weltmeisters läuft aus. Sollte es nun spürbar nicht vorangehen, tut er sich dann eine weitere Saison im Mittelfeld an? Und andersrum: Wenn der Aston Martin plötzlich wirklich ein starkes Auto ist, wird der teure Pilot dann den Erwartungen gerecht und empfiehlt sich für einen neuen Vertrag? Der Blick auf das Team in British Racing Green lohnt sich.
Mick Schumacher (22)
Eine ganze Saison gehört der Sohn des Rekordweltmeisters schon zur Formel 1, zum Kern dieses Sports durfte er aber noch nicht vordringen: Rennen fahren im eigentlichen Sinn war bislang nicht möglich, der Haas-Bolide war dafür einfach zu schwach. Nach einem Jahr am Ende des Feldes soll nun aber eines mittendrin folgen: Jeder Rennstall hat neue Autos, und kein Team setzte so früh alles auf die Entwicklung für 2022 wie Haas.
Im Mittelfeld soll es nun in die direkten Zweikämpfe gehen, um WM-Punkte und um das ein oder andere Highlight. „Ich freue mich drauf“, sagt Schumacher, und er wird sich beweisen müssen. Auf Sicht will schließlich auch Schumacher an die Spitze. Auch im Teamduell bekommt er die Gelegenheit, Stärke zu zeigen: Nikita Masepin hatte er recht locker im Griff, nach dem Aus des Russen sitzt nun aber Kevin Magnussen im anderen Haas – und der hat schon einiges erlebt in der Formel 1.
George Russell (24)
Wenn der Lehrling den Meister herausfordert, dann wird es im Sport richtig interessant. George Russells Wechsel von Williams zu Mercedes wurde mit Spannung erwartet, geradezu herbeigesehnt in der Formel 1, weil es eine ganz große Geschichte werden könnte. Gerade mal 16 war der Engländer als er im schwarzen Anzug vor Toto Wolff stand und sich dem Mercedes-Motorsportchef vorstellte – mit Hilfe einer Power-Point-Präsentation, auf eigenen Wunsch. Damals zeichnete er seinen Weg in den Silberpfeil vor, nun ist er tatsächlich angekommen.
Und weil Russell schon mit dem schwachen Williams regelmäßig Großes vollbrachte, traut man ihm bei Mercedes so ziemlich alles zu – auch ein enges Stallduell mit Lewis Hamilton. Und so eins hatte der Rekordweltmeister schon seit 2016 nicht mehr, als er den Titel an Nico Rosberg verlor.
Carlos Sainz (27)
Irgendwann begann Carlos Sainz zu singen. Nach guten Ergebnissen brummte er „Smooth Operator“ in den Teamfunk, den Song von Sade aus dem Jahr 1984 – und schon bald hatte der Spanier seinen ja ziemlich passenden Spitznamen in der Formel 1 weg. Denn ganz smooth, unaufgeregt und selbstbewusst hat der Sohn der gleichnamigen Rallye-Legende sich nach oben gearbeitet. Ziemlich unauffällig zunächst über die Stationen Toro Rosso und Renault, dann schon auffälliger bei McLaren neben Top-Talent Lando Norris.
In seinem ersten Jahr bei Ferrari zeigte Sainz dann gleich, was er auf jeden Fall nicht ist: Eine Nummer zwei hinter dem hochgelobten Charles Leclerc. Den Monegassen, dem ja eigentlich die Zukunft bei der Scuderia gehören soll, ließ er im Klassement gleich mal hinter sich, fuhr viermal aufs Podest. Bei den Testfahrten machte Ferrari nun einen starken Eindruck, vielleicht haben die Italiener mehr als andere aus dem neuen Reglement herausgeholt – und vielleicht ist dann nicht Leclerc die große Nummer, sondern Sainz? Es würde durchaus in den Karriereweg passen. Ganz entspannt an die Spitze eben.
Lando Norris (22)
Parallel mit George Russell pflügte Lando Norris vor einigen Jahren durch die Jugendkategorien, was hatte England da für Motorsport-Talente zu bieten. Norris war dabei der deutlich Jüngere – und wirkte durch seine flapsige Art auch immer, als fehle etwas die Ernsthaftigkeit. Nach drei Jahren bei McLaren, Norris ist noch immer erst 22, ist diese These widerlegt. Seine Ausbeute zeigt exponentielles Wachstum, 49, dann 97 und dann 160 WM-Punkte holte Norris in seinen ersten Jahren. Aus guten Gründen band McLaren den Jungstar nun langfristig an sich, mit ihm soll es bald wieder um Titel gehen.
Und der Traditionsrennstall gehört wie Ferrari zu denen, die vielleicht aufschließen können nach der großen Regel-Novelle. Bekommt Norris ein siegfähiges Auto, dann ist ihm sehr viel zuzutrauen.
Zhou Guanyu (22)
Bernie Ecclestone redet viel, provoziert gerne, und oft empfiehlt es sich, bei seinen Ausführungen einfach mal wegzuhören. Eines wusste er aber immer ziemlich genau: Was die Formel 1 braucht, um groß zu werden. Vor langer, langer Zeit wünschte Ecclestone sich einen erfolgreichen Deutschen, einen Schwarzen, eine Frau und einen Chinesen im Fahrerfeld. Dann kamen Michael Schumacher und Lewis Hamilton, beide sind heute Rekordweltmeister. Eine Frau hat die Formel 1 immer noch nicht reingelassen, das Reich der Mitte ist ab sofort aber vertreten.
Zhou Guanyu ist der erste chinesische Stammpilot, er soll der Königsklasse helfen, diesen riesigen Markt besser zu erschließen. Von Renault gefördert zeigte Zhou gute Leistungen in den Juniorkategorien, sein Debüt ganz oben gibt er nun im Alfa Romeo. Und fährt dort nicht bloß für sich, sondern auch für die Marketingstrategen der Formel 1.