Köln (SID) Präsident Bernd Neuendorf will sich beim Neuanfang im Deutschen Fußball-Bund (DFB) nicht zu sehr von Altlasten aufhalten lassen. „Man darf die eigene Agenda nicht vergessen. Es ist mir wirklich wichtig, das umzusetzen und Prozesse einzuleiten, die das ermöglichen“, sagte der 60-Jährige im Aktuellen Sportstudio des ZDF: „Es ist richtig, in die Vergangenheit zu schauen, aber wir müssen den Blick definitiv auch nach vorne richten. Wir dürfen uns nicht ergeben in reiner Vergangenheitsbewältigung.“
Dennoch werde er die Vorfälle der Vergangenheit wie den ominösen Vertrag mit dem ehemaligen Berater Kurt Diekmann auch selbst genau prüfen. „Die Aufklärung ist wichtig“, sagte der einstige politische Sprecher der SPD: „Ich schaue mir die Unterlagen an. Wenn ich Handlungsbedarf für den DFB erkenne, wenn sich Fragen ergeben, werde ich die stellen.“
Er erwarte darüber hinaus „zeitnah“ auch Ergebnisse von der Justiz. „Die Staatsanwaltschaft war im Haus, hat die Unterlagen beschlagnahmt. Es geht um zwei Personen, die vielleicht der Untreue angeklagt werden. Es gibt erstmal Ermittlungen“, sagte Neuendorf über die Causa Diekmann. Bezüglich möglicher Schadensersatzforderungen werde man mögliche Urteile abwarten.
Neuendorf befürwortet Hilfen für Familien verstorbener WM-Arbeiter
Außerdem würde der Deutsche Fußball-Bund (DFB) einen Hilfsfonds für die Familien der an den WM-Baustellen in Katar verstorbenen Arbeiter befürworten. „Ich würde das unterstützen“, sagte Neuendorf im ZDF-Sportstudio: „Wir wissen über Todesfälle an den Baustellen. Aber wir wissen nicht, wie es den Familien geht und wie mit denen umgegangen wird. Die sind in der Regel von diesem Geld abhängig.“
Er fände es „ein tolles Zeichen der Katarer und der FIFA, wenn sie das unterstützen würden“, führte der 60-Jährige aus: „In erster Linie ist die FIFA gefragt, die über die Verbände einen Topf kreieren müsste, der helfen kann.“ Die Menschenrechtslage im Gastgeberland der WM 2022 sehe er derweil weiter kritisch.
„Es hat Gesetzgebung gegeben, die Verbesserungen vorsieht, vom Mindestlohn angefangen bis zum freien Arbeitsplatzwechsel hin zu hygienischen Standards und Arbeitszeiten“, sagte Neuendorf. Jedoch sei die Umsetzung weiter fragwürdig. „Wir müssen die Stimme erheben und die katarische Regierung darauf drängen, dass die Umsetzung auch erfolgt“, sagte er weiter.
Die Fortschritte seien wenn überhaupt auch nur an den WM-Baustellen spürbar. „Aber man muss sagen, dass dort 30.000 Menschen arbeiten. Gesamt gibt es in Katar zwei Millionen Menschen, die an Baustellen arbeiten oder als Dienstleister aus Bangladesch, Indien, Nepal und anderen Ländern kommen. Dort ist es nach wie vor sehr kritisch.“
Er hätte sich auch von FIFA-Präsident Gianni Infantino gewünscht, „dass er in Doha einige Sachen offener anspricht und die WM auch unter dem Aspekt Menschenrechte und nicht nur unter dem kommerziellen Aspekt gesehen wird“, betonte Neuendorf: „Da hätte ich mir vorgestellt, dass deutlicher angesprochen wird, was passieren muss.“