Herzogenaurach (SID) Hansi Flick hat seine WM-Achse gefunden – doch ihr fehlt weiter ein Stürmer.
Tief NANA verdunkelte den Stars mit grauem Himmel und rauem Wind den freien Tag, doch die „schwarze Wolke“ über der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ist längst verflogen. „Die ist nicht mehr da“, bestätigte DFB-Geschäftsführer Oliver Bierhoff gut gelaunt, aber „himmelblau“ sei die Stimmungslage noch nicht: „Wir sind weiter unter Druck und dürfen uns nicht zu früh entspannen.“
Die Kracher gegen Europameister Italien und EM-Finalist England (jeweils 1:1) haben die Stärken der neuen DFB-Elf von Hansi Flick, aber auch ihre Schwächen aufgezeigt. Bierhoff zog vor dem Duell mit Ungarn am Samstag (11. Juni, 20.45 Uhr/RTL) ein positives Zwischenfazit, betonte aber: „Wir müssen aufmerksam sein, weil es immer regnen kann.“ Auf „Sonnenschein“ hoffe man dann bei der WM im Spätherbst in der Wüste von Katar.
Die Achse für sein erstes Turnier als Chef hat Bundestrainer Flick längst gefunden: Nur Kapitän Manuel Neuer, Abwehrchef Antonio Rüdiger, Mittelfeld-Boss Joshua Kimmich und Antreiber Thomas Müller spielten in Bologna wie München von Beginn an. Was fehlt, ist eine klare Nummer 1 im Sturm.
„Attraktiv und gut, aber noch nicht effektiv genug“ spielt die DFB-Auswahl laut Bierhoff. Das hänge auch mit der Ausbildung zusammen, „wir sind an der ein oder anderen Stelle zu verspielt und weniger nüchtern“. Dabei habe eine gewisse Kaltschnäuzigkeit den deutschen Fußball über Jahrzehnte ausgezeichnet. Für Bierhoff „ein wichtiger Punkt“, mit dem der Turniererfolg stehe und falle.
Flick versucht, das Problem seit seinem ersten Tag im Amt kleinzureden. „Wir haben auch auf dieser Position Qualität“, wiederholte er nach dem Klassiker gegen England, zuvor hatte er betont: „Wir brauchen uns nicht zu verstecken, das ist die Message, die ich gerne mal sage. Da sind wir froh, happy, wir haben Spieler, die sehr variabel agieren können.“ Die Flexibilität könne „uns einen großen Vorteil schenken“.
Erste Neuner-Option ist bei ihm Timo Werner, der „ein bisschen unterschätzt“ werde. „Bei ihm ist wirklich die Bereitschaft da, Wege zu gehen, den Gegner unter Druck zu setzen, Räume vor der Abwehr zu schaffen“, lobte Flick. Ein Goalgetter von Weltrang wird aus Werner aber wohl nicht mehr.
Gegen England testete Flick vorne dessen Chelsea-Kollegen Kai Havertz. „Kai ist ein begnadeter Fußballer“, schwärmte Flick, besonders gefalle ihm dessen Entwicklung unter Klubcoach Thomas Tuchel: „Er bringt Körperlichkeit rein, geht dem Ball entgegen. Das macht mir Spaß zu sehen.“
Serge Gnabry brachte sich selbst als Alternative ins Spiel. Er habe als Mittelstürmer stets „einen guten Job gemacht und eine ordentliche Quote“, fand der Münchner: „Ich denke, dass ich es gut ausfüllen kann, obwohl es nicht meine Stammposition ist.“
Grundsätzlich, gab der Außenstürmer zu bedenken, sei es „hilfreich“, einen echten Neuner im Team zu haben, „der viel Aufmerksamkeit auf sich zieht und die Bälle verwerten kann, auch wenn sie mal nicht gut kommen, einen Fixpunkt“. Ohne Sturmtank „wird das Spiel anders, dennoch kann man dann Wege finden“.
In Lukas Nmecha und Karim Adeyemi hat Flick zwei echte Mittelstürmer berufen, aber noch keine Minute eingesetzt. Für die WM schloss er nicht aus, etwas komplett Neues zu versuchen. „Auch da schauen wir genau hin“, sagte er über den Schalker Simon Terodde, wenn der Zweitliga-Rekordschütze regelmäßig treffe, „sind alle Türen und Tore offen“. Hauptsache, die Sonne scheint.