London (SID) Es wird ernst für Deutschlands Fußballerinnen: Mit der Ankunft in London geht die EM-Mission in die heiße Phase.
Endlich in England! Das typisch britische Wetter mit Wolken über London konnte die riesige EM-Vorfreude der deutschen Fußballerinnen nicht trüben. In dunkelblauen Hosenanzügen und angeführt von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg bezog das DFB-Team am 3. Juli um 17.20 Uhr Ortszeit sein Basislager im schmucken Hilton London Syon Park – die Titeljagd kann beginnen.
„Es geht endlich los, es ist greifbar. Wir haben richtig Bock“, schwärmte Außenverteidigerin Felicitas Rauch schon kurz vor dem Start des Fliegers EW5201 in Frankfurt/Main. Fünf Tage vor dem Auftaktspiel gegen Dänemark im Brentford Community Stadium (21.00 Uhr/ZDF) sei zwar der „Puls noch im Normalbereich“, ergänzte Abwehrchefin Marina Hegering, „aber das Kribbeln im Bauch fängt jetzt so richtig an“.
Und in die aufkommende Euphorie mischt sich eine gehörige Portion Selbstvertrauen. „Wir sind Deutschland, wir gehören zum Favoritenkreis“, betonte Hegering. „Wir wollen das Maximum holen und bis zum Schluss bleiben“, frohlockte gar Joti Chatzialexiou, Sportlicher Leiter Nationalmannschaften.
Basislager im Westen der Metropole ist ein eigener Flügel in einem schmucken Vier-Sterne-Hotel, das zwar eingebettet in viel Grün, allerdings auch gut hörbar in der Einflugschneise des Flughafens Heathrow liegt. „Es ist ein Ort zum Wohlfühlen. Das ist bei einem Turnier ein großer Faktor“, sagte Linda Dallmann vor dem Bezug der Einzelzimmer.
An die Unterkunft hat die Mittelfeldspielerin wie viele andere Spielerinnen gute Erinnerungen: Hier nächtigte das DFB-Team auch rund um das erfolgreiche Länderspiel gegen England vor fast 78.000 Zuschauern in Wembley (2:1) Ende 2019.
Nach Wembley würden „MVT“ und Co. liebend gerne zurückkehren. Am 31. Juli steigt hier das EM-Finale. Die Vorbereitung mit den drei Trainingslagern am neuen Campus in Frankfurt sowie im „Home Ground“ in Herzogenaurach lief nach Maß, der einzige Test gegen die Schweiz wurde 7:0 gewonnen.
„Letztendlich wurden unsere Erwartungen übertroffen. Wir haben die Zeit intensiv genutzt, und das hat uns gut getan“, sagte Voss-Tecklenburg. Selbst Kaiser Franz Beckenbauer schaute vor dem Abflug vorbei und überbrachte die besten Wünsche für die EM-Mission, die schwieriger kaum beginnen könnte.
Nach dem Auftakt gegen den Bezwinger von 2017 wartet in Hammergruppe B am 12. Juli ebenfalls in Brentford mit Spanien ein weiterer Hochkaräter, ehe es mit Finnland zum Gruppenabschluss am 16. Juli in Milton Keynes gegen einen unangenehmen Außenseiter geht.
„Nichts wird bei dieser EM zum Selbstläufer. Also ist das Viertelfinale unser erstes Ziel“, sagte Voss-Tecklenburg. Ihr Team sei für die Gegner gerade nach dem schmerzhaften Ausfall von Spielmacherin Dzsenifer Marozsan „vielleicht eine Wundertüte“ und das gelte es auszunutzen. „Wir fliegen nach England und wollen jedes Spiel gewinnen“, kündigte die 54-Jährige forsch an: „Wir wollen um den Titel spielen.“
„Unser Kader hat eine Riesenqualität„, meinte Außenverteidigerin Giulia Gwinn in der Bild am Sonntag. Ein frühes Aus wie im EM-Viertelfinale 2017 gegen Dänemark oder im WM-Viertelfinale 2019 gegen Schweden soll sich nicht wiederholen. „Ich nehme viel Unterwäsche mit, weil wir natürlich lange bleiben wollen“, sagte Angreiferin Svenja Huth. Am liebsten bis zum 31. Juli.
Fragen und Antworten zur Frauenfußball-EM in England (zusammengestellt vom SID)
Was steht an?
In England ermitteln 16 Nationen die neuen Europameisterinnen im Fußball. Deutschland trifft in Gruppe B auf Dänemark (Freitag), Spanien (12. Juli) und Finnland (16. Juli/alle 21.00 Uhr). Die deutschen Gruppenspiele finden in London-Brentford sowie in Milton Keynes statt.
Wer ist Favorit?
In Europa ist die Leistungsdichte an der Spitze mittlerweile enorm, nie war eine Frauen-EM so offen. Die Hälfte der Teilnehmer macht sich berechtigte Hoffnungen auf den Titel. Gastgeber England, Spanien, Schweden und Frankreich gelten aber als Topanwärter. Die Europameisterinnen aus den Niederlanden schwächelten zuletzt unter dem neuen Trainer Mark Parsons.
Wie stehen die deutschen Chancen?
Prognosen sind schwierig, das DFB-Team muss eine knifflige Gruppe überstehen, zuletzt fehlten dem Rekordeuropameister (acht Titel) Konstanz und Biss. Nach dem K.o. im Viertelfinale bei der EM 2017 und WM 2019 hat zudem das Selbstvertrauen gelitten, die Konkurrenz zittert längst nicht mehr vor dem einstigen Branchenführer. Das 7:0 gegen die Schweiz in der Generalprobe machte zwar Mut, Knackpunkt dürfte die Stabilität der umformierten Abwehr sein.
Wieso sitzt Torhüterin Almuth Schult nur auf der Bank?
Die seit ihrem Job als ARD-Expertin wohl prominenteste DFB-Spielerin hat seit der WM 2019 kein Länderspiel mehr gemacht. Während sie wegen Schulter-OP und Babypause fehlte, übernahm Merle Frohms (27) den Job als Nummer eins – und machte ihre Sache so gut, dass Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg weiter auf sie setzt.
Wer sind die internationalen Stars?
Spaniens Weltfußballerin Alexia Putellas fällt nach einem unmittelbar vor der EM erlittenen Kreuzbandriss aus, Torjägerin Ada Hegerberg steht bei Norwegen im Fokus, für Oranje trifft Vivianne Miedema nach Belieben. Und noch bestens aus der Bundesliga bekannt ist Dänemarks Topstar, die Ex-Wolfsburgerin Pernille Harder.
Wer erreicht das Viertelfinale?
Die Gruppensieger und -zweiten der vier Vierergruppen ziehen in die K.o.-Runde ein. Die Viertelfinals stehen vom 20. bis 23. Juli an. Die Vorschlussrunde steigt am 26./27. Juli, das Endspiel am 31. Juli.
In welchen großen Stadien wird gespielt?
Das Eröffnungsspiel fand im Old Trafford von Manchester statt, das Finale wird in Wembley ausgetragen. Zu den größeren Arenen gehören sonst noch Brighton, Milton Keynes, Sheffield und Southampton.
Wer überträgt live?
ARD und ZDF zeigen alle deutschen Spiele im Hauptprogramm, auch alle anderen Begegnungen werden übertragen (im Hauptprogramm, via ZDF- oder sportschau.de-Livestream). Auch der Streaminganbieter DAZN zeigt sämtliche Partien. Das ZDF zeigt den deutschen EM-Auftakt sowie das dritte Gruppenspiel, in der ARD läuft der Kracher gegen Spanien.