Berlin (SID) Nach dem Einzug ins EM-Halbfinale gab es bei den deutschen Basketballern kein Halten mehr. Jetzt ist sogar der ganz große Wurf drin.
Gordon Herbert musste lachen. Sogar seine Ex-Frau, erzählte der Basketball-Bundestrainer belustigt, habe ihn am Morgen nach dem EM-Coup von Berlin angerufen, denn sie verstand die Welt nicht mehr. Die Kreditkarten-Saga, die der Kanadier im Rausch der Euphorie losgetreten hatte, bekam er nur noch schwer eingefangen.
„Nur um das aufzuklären: Dennis Schröder hat mich nie nach meiner Kreditkarte gefragt“, gab Herbert am Mittwoch bei einer Medienrunde im Teamhotel zu: „Das war ein Witz, der ein bisschen aus dem Ruder gelaufen ist. Ich dachte, das wäre lustig wegen des italienischen Trainers.“
Unter dem Gelächter der Journalisten hatte der Coach nach dem sensationellen 107:96 (57:61)-Sieg im Viertelfinale gegen Griechenland am Dienstag gescherzt: „Dennis wollte meine Kreditkarte. Ich habe gesagt: Ich bin dreimal geschieden, das Limit wird dir nicht gefallen.“
Zuvor hatte Italiens Nationalcoach Gianmarco Pozzecco berichtet, seinen Spielern nach dem überraschenden Sieg im Achtelfinale gegen Serbien am vergangenen Sonntag seine Kreditkarte zum Feiern zur Verfügung gestellt zu haben. Was seine Spieler nach dem großen Triumph gegen die Griechen unternahmen, vermochte Herbert nicht zu sagen: „Ich will es wirklich nicht wissen“, sagte der 63-Jährige mit einem Lächeln.
Er selbst, so Herbert, habe sich wie geplant ein kühles Bier gegönnt. Einfach, um runterzukommen. Um zu realisieren, mit welcher Leichtigkeit sein Team die klar favorisierten Griechen um NBA-Superstar Giannis Antetokounmpo förmlich aus der Halle gefegt hatte. „Das sind die Spiele, für die wir alle leben“, jubelte ein völlig fertiger Niels Giffey.
Schon jetzt ist es der größte Erfolg der Post-Dirk-Nowitzki-Ära, die dritte EM-Medaille nach Gold 1993 und Silber 2005 ist nah. Andreas Obst, der fünf (!) von sieben Dreiern traf, mahnte jedoch, die Deutschen könnten zunächst zufrieden sein, „trotzdem sind wir noch nicht da, wo wir sein wollen.“ Um Edelmetall spielt Deutschland am Sonntag in jedem Fall, entweder um Bronze oder um Gold.
Schröder war rundum glücklich, hatte aber im Jubelreigen nicht einmal auf dem Zettel, wer da denn nun am Freitag (20.30 Uhr/MagentaSport und RTL) auf die Deutschen wartet. „Ach, das ist gegen Spanien?“, fragte der Kapitän etwas verdutzt. Die spanischen Brüder Willy und Juancho Hernangomez, so Schröder, kenne er aus der NBA, mit Usman Garuba habe der aktuell vereinslose Spielmacher bei den Houston Rockets zusammengespielt.
Und dennoch: Spätestens nach Griechenland scheint alles vorstellbar. Etwas anderes als eine Medaille hatte Herbert auch nie als Ziel ausgegeben. Bis sein Team in der Vorrunde von Köln Frankreich und Litauen schlug, hatten ihm jedoch nur Berufsoptimisten geglaubt. „Vielleicht ist das ein bisschen die deutsche Mentalität“, sagte Maodo Lo. Man müsse, so der Profi von Alba Berlin, jedoch „an sich glauben, und wir haben eine gute Basketball-Mannschaft und guten Basketball in Deutschland.“
Der Hype, der so groß ist wie seit Nowitzki-Tagen nicht, muss nun befeuert werden. Die Berliner Halle war im Viertelfinale ausverkauft und voll da, RTL verzeichnete nach dem spontanen Free-TV-Einstieg in der Spitze bis zu 2,5 Millionen Zuschauer. Wie der Sender am Mittwoch mitteilte, werde er auch das Halbfinale live zeigen.
NBA-Shootingstar Franz Wagner, nach Knöchelblessur mit starken 19 Punkten gegen die Griechen, sprach sich für mehr Basketball im linearen TV aus. „Hoffentlich können wir den Ball so ein bisschen ins Rollen bringen.“ Denn solche Basketball-Feste sollte jeder erlebt haben.