Berlin/Köln (SID) Mit einer neuen Bundesagentur für Leistungssport soll der auf der Weltbühne taumelnde deutsche Sport wieder an Fahrt gewinnen. Für Paris 2024 kommt das aber zu spät.
Die Olympischen Spiele 2024 hat der DOSB fast schon abgeschrieben. Natürlich hoffe man auf ein gutes Ergebnis in Paris, so der DOSB-Vorstandsvorsitzende Torsten Burmester auf einer Pressekonferenz, aber der negative Trend sei bis dahin noch nicht zu stoppen. Aber dann! Mit einer unabhängigen Bundesagentur für Leistungssport, neuen Ideen und frischem Schwung wollen der Deutsche Olympische Sportbund und das für den Sport zuständige Bundesinnenministerium (BMI) die Trendwende schaffen und bei den Sommerspielen 2028 in Los Angeles die ersten Früchte ernten.
„Wir sind uns im Sport und mit der Politik einig, dass der deutsche Leistungssport neue, innovative Impulse braucht“, teilte DOSB-Präsident Thomas Weikert mit, „in einer Sportagentur bündeln wir die Kräfte, indem wir Steuerung und Förderung erstmals aus einer Hand ermöglichen.“
Der nächste Anlauf für eine Spitzensportreform sei unerlässlich, die 2016 eingeführte stecke laut Burmester in einer „Sackgasse“. Der Karren sei immer weiter in den Sumpf gezogen worden. Die Erfolge waren in der Tat bescheiden, auf der großen Bühne erlebte der deutsche Sport eine stete Talfahrt. Bei Olympia in Tokio wurde das schlechteste Ergebnis seit der Wiedervereinigung erzielt, bei der WM der Leichtathleten gab es mit zwei Medaillen sogar das historisch schlechteste Abschneiden.
Burmester fordert, „Impulse aus erfolgreichen Förderkonzepten anderer Nationen“ zu gewinnen, und nannte als Beispiele Großbritannien, Australien und Norwegen. Eins zu eins seien die Modelle nicht zu übernehmen, doch wolle man sich die Rosinen rauspicken. Gezielt müsse mit Blick auf L.A. nun verstärkt auch der Nachwuchs gefördert werden.
Begleitend zur Installierung einer Bundesagentur wird an einem Sportfördergesetz gearbeitet. „Unsere Spitzenathletinnen und Spitzenathleten brauchen exzellente und verlässliche Rahmenbedingungen“, erklärte Sportministerin Nancy Faeser, „mit einem Sportfördergesetz, das wir erstmals in der Geschichte schaffen, und einer unabhängigen Sportagentur stellen wir die Weichen für ein modernes und transparentes Fördersystem.“
Grundsätzlich positiv bewertet die Vereinigung Athleten Deutschland die Pläne, doch sie fordert bei der geplanten Erneuerung der Leistungssportreform eine Mitbestimmung. „Für uns steht fest, dass solche grundlegenden strategischen Weichenstellungen im Spitzensport nur gemeinsam mit Athleten Deutschland als gleichberechtigtem Partner vollzogen werden können. Eine Leistungssportreform kann nicht ohne die Mitbestimmung und Mitgestaltung der Athlet*innen gelingen“, heißt es in einer Stellungnahme.
Eine klare Zusage hierfür gab es weder von Torsten Burmester noch von Juliane Seifert. Beide jedoch erklärten unisono, dass man den Schulterschluss mit den Athleten suche. Wie stark dieser ausfällt, ist jedoch nicht absehbar. Das birgt eine Menge Konfliktstoff.
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Die wesentlichen Punkte der neuen Spitzensportförderung, veröffentlicht durch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und das Bundesinnenministeriums (BMI):
- SPORTFÖRDERGESETZ
In einem Sportfördergesetz des Bundes sollen die Ziele, Rollen und Zuständigkeiten im Spitzensport und das künftige Fördersystem einschließlich der Sportagentur verbindlich geregelt werden. Der (Spitzen-)Sport erfährt durch diese gesetzliche Regelung eine klare Aufwertung.
- UNABHÄNGIGE SPORTAGENTUR
Eine unabhängige Sportagentur wird künftig zentraler Bestandteil des Spitzensportfördersystems. BMI und DOSB machen die strategischen Vorgaben für die Spitzensportförderung. In dem vorgegebenen Rahmen agiert die Agentur eigenverantwortlich und trifft die Förderentscheidungen eigenständig. In einem ersten Schritt wird die Sportagentur im Bereich der Förderung olympischer Verbände tätig werden. Verfahren werden verschlankt und flexibilisiert. Ziel ist eine effiziente, transparente und potenzialorientierte Förderung nach rein sportfachlichen Aspekten.
- WERTE UND INTEGRITÄT IM SPORT
Zentrale Maßnahme wird die Einrichtung eines unabhängigen Zentrums für Safe Sport zur Bekämpfung physischer, psychischer und sexualisierter Gewalt im Sport. Als deren erstes Element implementieren Bund und Länder Anfang 2023 eine unabhängige Ansprechstelle für Betroffene sexualisierter, psychischer und physischer Gewalt im Sport.
- ATHLETINNEN UND ATHLETEN
Eine zusätzliche Förderung in Form eines Individualbudgets für Spitzenathletinnen und Spitzenathleten mit Medaillenpotenzial soll geprüft werden. Individualleistungen können zum Beispiel zusätzliche Trainingsausstattung und eine spezielle personelle Betreuung sein.
- LEISTUNGSSPORTPERSONAL – INSBESONDERE TRAINERINNEN UND TRAINER
An Bundesstützpunkten sollen gezielt optimale Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Hierzu wird die Erhöhung der Förderhöchstgrenzen für das Leistungssportpersonal – insbesondere der Trainer angestrebt. Das DOSB-Konzept zur „Verbesserung der arbeitsvertraglichen Rahmenbedingungen für Trainerinnen und Trainer“ soll konsequenter umgesetzt werden; ausgewählte Aspekte aus dem Konzept sollen ggf. zu Fördervoraussetzungen gemacht werden. Der DOSB wird sich für eine bessere Ausbildung des Leistungssportpersonals einsetzen.
- STÜTZPUNKTE GEMÄß INTERNATIONALEN STANDARDS AUSSTATTEN
Die optimale, an internationalen Spitzensportstandards orientierte Ausstattung dieser Trainingsstätten sowie Service- und Unterstützungseinrichtungen sind notwendige Bedingungen für einen erfolgreichen Spitzensport. Dafür bedarf es einer weiteren Konzentration der Stützpunktstruktur.
- NACHWUCHSLEISTUNGSSPORT
Ein erfolgreicher Spitzensport braucht eine ausreichende Zahl und hinreichend entwickelte Talente. Deshalb werden gemeinsam mit den Ländern Möglichkeiten zur Verbesserung der Talentsichtung, -förderung und der Schnittstellen im Sportsystem erörtert.