Berlin (SID) Auch der DOSB steht einer möglichen Rückkehr von russischen und belarussischen Athleten in den Weltsport offen gegenüber. Eine sofortige Wiedereingliederung hält der deutsche Dachverband aber für verfrüht.
Den Tag des russischen Überfalls hat Torsten Burmester noch ganz genau vor Augen. „Ich war sprachlos und konnte es nicht fassen“, sagte der DOSB-Vorstandvorsitzende, der am 24. Februar 2022 mit der damaligen DFL-Chefin Donata Hopfen zusammensaß. Nun, etwas mehr als ein Jahr nach Kriegsausbruch in der Ukraine, steht Burmester mit seinem Verband vor der großen Frage nach der Wiedereingliederung von russischen und belarussischen Athletinnen und Athleten in den Weltsport – und begibt sich dabei auf eine Linie mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC).
„Das Wesen des Sports ist es, Brücken zu bauen, die Mission der Olympischen Bewegung ist es, Menschen im friedlichen Wettstreit zusammenzubringen“, betonte Burmester in einem Interview auf der Verbandshomepage des Deutschen Olympischen Sportbundes – und öffnete damit wie bereits das IOC die Tür für eine mögliche Rückkehr.
Diese müsse laut DOSB aber an strenge Vorgaben geknüpft werden – und sei auch noch verfrüht. „Aus unserer Sicht ist noch nicht der richtige Zeitpunkt gekommen“, so Burmester. Zur Begründung für die derzeitige Ablehnung der höchsten deutschen Sportorganisation führte er an, dass sich die „kriegerischen Handlungen in den vergangenen Wochen weiter verschärft“ hätten, „insbesondere auch die Angriffe auf die Zivilbevölkerung“. Die Ukraine droht mit Boykott, sollte Russland in den Weltsport zurückkehren.
Dabei werde aber in „anderen Teilen der Welt die Lage anders bewertet“, betonte Burmester. In einem sogenannten Consultation Call des IOC am 19. Januar habe sich daher eine Mehrheit der Nationalen Olympischen Komitees dafür ausgesprochen, eine Wiederzulassung zu prüfen.
Diese Wiederzulassung ist an „Neutralität“ gebunden, wie das IOC immer wieder und nun auch der DOSB betont. „Es dürfen wirklich keine Flaggen, nationalen Symbole oder Farben getragen und Hymnen gespielt werden“, so Burmester. Aber ob das wirklich gelingt? Der Verein Athleten Deutschland hatte das IOC dahingehend zuletzt aufgefordert, „uns glaubhaft zu vermitteln, dass komplette Neutralität umsetzbar ist“, sagte Präsidiumsmitglied Lea Krüger.
In die gleiche Kerbe schlug auch eine Länderkoalition von 34 Nationen. „Wir sind sehr besorgt darüber, wie es möglich ist, dass russische und belarussische olympische Athleten als ‚Neutrale‘ antreten, wenn sie direkt von ihren Staaten finanziert und unterstützt werden“, hieß es in einem Schreiben, das die britische Regierung veröffentlichte.
Das EU-Parlament kritisierte das IOC dafür, für russische und belarussische Athleten Wege nach Paris 2024 zu erkunden. Die Ringe-Organisation stützt sich dabei wiederholend auf Aussagen von zwei UN-Sonderberichterstattern, die das IOC auffordern, eine Diskriminierung jeglicher Sportlerinnen und Sportler auf Basis ihrer Nationalität auszuschließen.
Und der DOSB? Der fordert eine Sicherstellung, dass jene Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus ausgeschlossen werden, „die den Krieg aktiv unterstützen“. Geklärt werden müsse zudem die Frage nach Dopingtests und die Möglichkeit der Qualifikation für die Olympischen Spiele 2024 in Paris.
Diese beginnt in vielen Disziplinen schon bald – doch eine Lösung in der Russland-Frage ist noch nicht in Sicht.