Berlin (SID) Sollten Bundesliga-Trainer beim Videobeweis eine Challenge-Möglichkeit bekommen? Dieses Szenario ist momentan noch weit weg – doch im Fußball auch nicht mehr undenkbar.
Thomas Tuchel rennt wutentbrannt die Seitenlinie entlang, dann donnert der Trainer von Bayern München die Rote Flagge auf den Boden – Challenge. War da ein Foul? Gepfiffen hat der Schiedsrichter nicht – und dennoch muss er nach Tuchels Intervention nun raus zum Videobildschirm. Dieses Szenario ist in der Bundesliga momentan noch Utopie, doch die Diskussion um die Einführung dieser vor allem aus den nordamerikanischen Profisportarten oder im Tennis geläufigen Option ist nach den jüngsten VAR-Querelen aktueller denn je.
„In solchen Fällen, in denen offensichtlich klare Fehlentscheidungen getroffen werden, sollten Trainer diese Möglichkeit bekommen“, sagte Steffen Baumgart, Coach des 1. FC Köln, dem kicker: „Pro Halbzeit einmal wäre sinnvoll.“
Das Thema war am letzten April-Wochenende wieder hochgekocht, nachdem Schiedsrichter Sascha Stegemann (Niederkassel) im Bundesliga-Derby zwischen dem VfL Bochum und Borussia Dortmund eine folgenschwere Fehlentscheidung getroffen hatte und auch der Video Assistent Referee (VAR) in Köln stumm geblieben war.
Eine Challenge-Möglichkeit für BVB-Trainer Edin Terzic hätte wohl dazu geführt, dass sich Stegemann ein klares Foul an Nationalspieler Karim Adeyemi am Bildschirm angeguckt und den Dortmundern im Meisterschaftskampf einen wegweisenden Elfmeter zugesprochen hätte.
Doch es gibt auch prominente Widersacher der Challenge. „Ich glaube, dass die Challenge im Fußball nichts bringt, weil wir zu viele Szenen im Graubereich haben“, sagte FIFA-Schiedsrichter Felix Brych im Podcast „kicker meets DAZN“.
Brych, der am 29. April selbst als Videoassistent in der Bundesliga im Einsatz war, halte eine Challenge für „gefährlich“, denn: „Sollte man dann nicht recht bekommen, ist der Unmut noch viel größer.“
Während die Challenge in unterschiedlichen Ausprägungen etwa in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA, der US-Football-Liga NFL oder auch im Hockey längst zum Alltag gehört, ist eine Umsetzung in der Fußball-Bundesliga noch weit weg – aber auch nicht undenkbar.
Bereits im vergangenen Jahr hatte sich Jochen Drees, ehemaliger Schiedsrichter und inzwischen Innovations-Leiter beim DFB, aufgeschlossen gegenüber dieser Idee gezeigt. Doch Drees haderte mit der konkreten Umsetzung. Was passiert, wenn der Trainer mit der Challenge falsch liegt? Verliert er dann eine Wechselmöglichkeit? Könnte die Challenge zum taktischen Kniff von Trainern werden, um ihrem Team eine Verschnaufpause zu geben? Diese Fragen müssten vor der Einführung geklärt werden.
Italiens Fußball-Verband FIGC hatte die Einführung einer Challenge bereits 2020 vorgeschlagen, diese war vom International Football Association Board (IFAB) aber abgelehnt worden. „Es wird alles vom Videoassistenten überprüft. Wie soll ein Trainer das besser erkennen? Die Schiedsrichter sind Experten im Regelwerk, die Trainer nicht“, sagte IFAB-Geschäftsführer Lukas Brud damals bei sportschau.de.
Und doch finden sich rund sechs Jahre nach der Einführung des VAR in der Bundesliga immer mehr Befürworter. Auch Schalke-Coach Thomas Reis zeigte sich offen dafür, als Trainer eine Überprüfung von Spielsituationen anfordern zu können. Dies könnte „eine Möglichkeit sein“, sagte Reis, denn: Es müsse darum gehen, „Abläufe zu optimieren“.