sid

November 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

Aachen (SID) Ludger Beerbaum hat nahezu alles gewonnen, was ein Springreiter gewinnen kann. Beim CHIO in Aachen verabschiedete sich die Ikone aus dem Sport.

Beerbaum war erleichtert, als es endlich raus war. Der Springreiter stand entspannt da, unterhielt sich lachend mit einem Glas Wein in der Hand mit seinen Kolleginnen und Kollegen. Dann erfüllte der 59-Jährige seelenruhig die vielen Interviewwünsche und nahm sich sogar kurz Zeit für ein Gespräch mit einem aufgeregten Fan. Nur wenige Minuten zuvor hatte Beerbaum sich hochemotional nach 38 Jahren aus dem Reitsport verabschiedet.

Zumindest eine kleine Last fiel damit von ihm ab. „Ich bin irgendwie ein Stückchen erleichtert, aber es ist ein Wellenbad der Gefühle“, sagte der erfolgreichste noch lebende deutsche Springreiter dem SID. Seine Stute Mila mache es ihm „ein Stück weit schwer“, loszulassen, denn sie sei mit ihren elf Jahren „sicherlich noch nicht am Ende“.

Doch der viermalige Olympiasieger ist mit seiner Entscheidung im Reinen: „Ich werde in sechs Wochen 60, für mich war es der richtige Zeitpunkt. Deshalb überwiegt die Erleichterung. Es tut auch ein bisschen weh, aber es ist okay.“

Die Entscheidung habe ihn schon „die letzten zwei, drei Jahre“ beschäftigt, den Entschluss, dass jetzt wirklich Schluss sein soll, fasste er aber am 2. Juli recht spontan. Kaum jemand war informiert.

„Ein ganz kleiner Kreis. Zwei, drei Leute wussten Bescheid, dass es eventuell passiert. Je nachdem, wie das hier geht“, erklärte Beerbaum. Beim Höhepunkt in Aachen wollte er erstmal „gucken, dass ich mich nicht lächerlich mache“.

Der zweimalige Welt- und sechsmalige Europameister wollte einen würdevollen Abgang – und bekam ihn vor seinem Lieblingspublikum in Aachen. Nach einem Fehler im ersten Umlauf war für ihn im Großen Preis Schluss, als 25. verpasste er die zweite Runde. „Dann habe ich gedacht: ‚Nee, lächerlich hast du dich nicht gemacht.‘ Deshalb ist die Erleichterung größer, als das Bedauern.“

Ein klassisches Rentnerleben kommt für den dreimaligen Aachen-Sieger nicht in Frage. Seine Pläne? „Das alles noch weiter zu genießen, hoffentlich viele Jahre. Die Arbeit mit den jungen Reitern, die mittlerweile sogar ein Stückchen vor mir stehen, macht großen Spaß und ist eine große Motivation.“

Philipp Weishaupt, einer von Beerbaums Springreiter-Kollegen auf dessen Gestüt in Riesenbeck, würdigte den Altmeister zum Abschied mit großen Worten: „Dieser Mann ist sicherlich der beste Reiter, den es jemals gab“, sagte der 37-Jährige ergriffen. Beerbaum habe „den Sport 30 Jahre lang weiterentwickelt, es ist eine große Ehre, für ihn zu arbeiten. Ich danke ihm für alles, was er getan hat.“