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April 2024

Sport-Informations-Dienst (SID)

Köln (SID) Bei der Park-WM in Rom sammeln Profis wie Lilly Stoephasius Punkte für Paris 2024. Doch die Entscheidungen des Weltverbandes spalten die Sportart.

Wenn Lilly Stoephasius bei der Weltmeisterschaft vor den Toren Roms auf ihrem Skateboard durch die Luft wirbelt, werden die Zuschauer wieder staunen und jubeln. Bei den Olympischen Spielen in Tokio hatten es der Straßen-Sport und die junge Deutsche auf die große Bühne geschafft – doch diese zu betreten, lehnen viele andere Vollblutskater nach wie vor ab. Es widerspricht ihren Vorstellungen von der Skateboard-Kultur.

Skaten, das soll für sie vor allem Freiheit und Miteinander sein. Diese Werte rückten durch die Professionalisierung seit der Aufnahme ins olympische Programm in den Hintergrund. Die Profi-Skater müssen nach den Regeln des IOC und des Weltverbandes Worldskate spielen.

Indirekter Teilnahmezwang an Wettbewerben, wie dieser Tage bei der Park-WM in Ostia bei Rom, um keine Fördermittel zu verlieren, Cannabisverbot vor Wettkämpfen und bloß keine olympia-kritischen Äußerungen – mit der geliebten Freiheit hat das wenig zu tun, der Großteil der Skater verzichtet daher gern darauf.

Die vielen Veränderungen spalten die Szene. In Tokio 2021 wurde das Skateboardfahren wie auch Surfen oder Klettern vom IOC als Werkzeug für eine Verjüngung genutzt. Plötzlich waren die Fahrerinnen und Fahrer olympische Athleten. „Das hat schon etwas gemacht mit den Strukturen und dem Sport insgesamt“, sagt Hans-Jürgen Kuhn, Vorstand der Skateboard-Kommission im Deutschen Rollsport- und Inline-Verband (DRIV), dem SID.

In das olympische System wurde der Sport regelrecht gepresst. Mit Funktionären an der Spitze von Worldskate, die die Kultur nicht leben. Der Verband ist, wie auch in Deutschland der DRIV, für alle Rollsportarten zuständig. Skaten ist durch Olympia jedoch die lukrativste von ihnen, die Events sind dank der Fördermittel plötzlich relevant und wertvoll.

Die Folge: Worldskate vergab für 2022 und 2023 Wettkämpfe in die Vereinigten Arabischen Emirate, die Weltmeisterschaften 2022 in den olympischen Disziplinen Park und Street sowie zwei Qualifikationsturniere für Paris. „Wir kennen nach wie vor nicht wirklich Gründe, wieso der Weltverband im Doppelpack gleich vier Wettbewerbe in die Emirate vergeben hat“, sagt Kuhn: „Aber es liegt glaube ich auf der Hand, dass Geld eine große Rolle gespielt hat.“

Die Menschenrechtslage in den Emiraten, wo Homosexualität illegal ist, werde von den jungen Athletinnen und Athleten „wahrgenommen und abgelehnt“, Kuhn nimmt jedoch auch „Neugier auf die fremde Kultur“ wahr. Die wenigen Profis, die Gelder aus der Athletenförderung in Deutschland erhalten, sind faktisch zur Teilnahme an diesen Events gezwungen – Bedenken hin oder her.

Einige vielversprechende Talente haben auf diese Form von Professionalität keine Lust, laut Kuhn gebe es in der Szene ein stillschweigendes Arrangement: „Die einen dürfen dem Hochleistungssport frönen, die anderen machen einfach Skateboarding im Alltag und leben eine andere Kultur, mit anderen Vorstellungen von diesem Sport.“